Rede · Lars Harms · 20.03.2014 Unser Ziel ist umfassende Inklusion bei höchstmöglicher Qualität

„Wir müssen ein wirklich inklusives Schulsystem schaffen“

Nicht erst seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist eines völlig klar: Menschen mit Behinderung haben einen Anspruch auf eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Hier gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Und auch wenn es unter Bildungspolitikern naturgemäß eine starke Tendenz in diese Richtung gibt, gilt dieser Anspruch eben nicht nur für die Bildung, sondern für sämtliche Bereiche der Gesellschaft. Inklusion ist eine enorm wichtige Aufgabe mit einer immensen Bedeutung: Ich will nur kurz daran erinnern, dass hier in Schleswig-Holstein über eine halbe Million Menschen mit Behinderung leben. Weit über 300.000 Bürgerinnen und Bürger sind schwerbehindert. Das heißt, dass fast jeder fünfte Mensch hier im Land eine Behinderung hat. Die Lebenssituation dieser Menschen wollen wir verbessern. Ganz gleich, ob sie nun in die Bildungseinrichtung gehen oder entsprechenden Wohnraum brauchen.

Inklusion ist weit mehr als nur Schule. Aber es ist trotzdem völlig klar, dass den Bildungseinrichtungen bei dieser Aufgabe eine Schlüsselposition zukommt. Auch die CDU bekennt sich in ihrem Antrag zum Ziel der Inklusion und nennt die Vorzüge einer gemeinsamen Beschulung von Schülerinnen und Schülern. Das ist aus Sicht des SSW absolut zu begrüßen. Und natürlich muss Inklusion, wie im Antrag gesagt, auch „leistbar“ sein. Aber ich meine nicht, dass wir deshalb auf die Bremse treten können oder sogar müssen. Die gewünschte „Entschleunigung“ ist in unseren Augen jedenfalls schon deshalb falsch, weil auch die Kinder, die gerade vor der Einschulung stehen oder die Grundschulen besuchen, ein Recht auf diese inklusive Beschulung haben. Dieses Recht wollen wir ihnen ganz sicher nicht einfach nehmen.

Diese Koalition will sich ganz sicher nicht einfach auf der vergleichsweise guten Quote ausruhen, die Schleswig-Holstein bei der inklusiven Beschulung vorweisen kann. Wir wollen Stück für Stück zu einem wirklich inklusiven Schulwesen kommen. Hieran arbeiten wir mit Hochdruck. Und weder Vollbremsungen noch Schnellschüsse helfen uns dabei, dieses Ziel zu erreichen. Nur zur Erinnerung: Ein umfangreicher und mit Sicherheit äußerst aufschlussreicher Bericht zum Thema Inklusion im Schulwesen steht noch aus. Genau wie die Ergebnisse des runden Tisches und der Arbeitsgruppe unter Leitung des Staatssekretärs zu diesem Thema. Erst auf dieser Basis ist ein wirklich umfassendes Konzept zur Inklusion im Schulbereich möglich. Diese ehrliche Bestandsaufnahme ist also ungemein wichtig, um hier entscheidend voran zu kommen.

Machen wir uns nichts vor: Bis zu unserem Ziel einer umfassenden Inklusiven Beschulung bei höchstmöglicher Qualität, ist es noch ein sehr weiter Weg. Allein die baulichen Voraussetzungen hierfür können ja zum Beispiel gar nicht überall geschaffen werden. Und die rund 1000 zusätzlichen Lehrerstellen, die die GEW hierfür für auskömmlich hält, können wir uns kaum aus den Rippen schneiden. Ich denke daher, dass allen hier eines klar sein sollte: Es geht in Zukunft insbesondere darum, unsere Lehrkräfte fit zu machen, für diese Herausforderung. Dies sage ich ausdrücklich nicht nur mit Blick auf die anstehende Reform der Lehrerbildung, die ohne Zweifel enorme Fortschritte beim Thema Inklusion bringen wird. Nein, auch den Lehrerinnen und Lehrern, die bereits fertig ausgebildet oder auch schon länger an unseren Schulen tätig sind, wollen wir hier alle Möglichkeiten und Chancen bieten. Denn nach Auffassung des SSW sollten inklusive Konzepte und Maßnahmen der inklusiven Unterrichtsgestaltung Basiswerkzeuge im Werkzeugkasten jeder Lehrkraft sein.

Es geht nicht darum, Inklusion dadurch leistbar zu machen, dass man „entschleunigt“ oder bremst. Es geht darum, vorhandene Ressourcen zu bündeln. Und es geht letzten Endes darum, Inklusion durch die eng abgestimmte Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams zu verwirklichen. Hier spielen gut ausgebildete Lehrkräfte eine ganze wesentliche Rolle. Hier ist das Land natürlich in der Verantwortung. Doch auch der Bund muss über die langfristige Absicherung der wertvollen Arbeit der Schulbegleiter seinen Beitrag leisten. Und nicht zuletzt muss auch die Schulsozialarbeit verstetigt und damit fester Bestandteil dieser Teams werden. Hier ist durch die Finanzierung über das FAG schon ein großer Schritt getan. Diesen Weg wollen wir fortsetzen. Denn es gibt mit Sicherheit keine Zeit zu verlieren.

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