Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 12.07.2007 Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen unzureichender Ausweisung von Vogelschutzgebieten


Es ist ja schon länger her, dass wir über den Vogelschutz auf Eiderstedt gesprochen haben. Deshalb noch einmal kurz zusammenfassend was bisher geschehen ist. 1979 wird die Vogelschutzrichtlinie mit den Stimmen aller nationalen Regierungen der EU, also auch der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung, beschlossen. Das heißt im Klartext, nicht das ferne Brüssel ist in der Verantwortung, sondern die jeweiligen nationalen Regierungen haben dieses Programm beschlossen. Zur Auswahl von Schutzgebieten orientierte sich die EU an den sogenannten IBA-Gebieten – den Importent Bird Areas. Wenn ein Staat kein Konzept zur Ausweisung von Schutzgebieten nachweisen konnte oder dieses unzureichend war, wies die EU auf diese IBA-Gebiete als wissenschaftliche Referenzgrundlage hin. Das heißt, wenn ordentliches Konzept fehlt, sollten die IBA-Gebiete die Grundlage für eine Gebietsmeldung sein. In unserem Fall macht die IBA-Fläche ungefähr 13.000 Hektar auf Eiderstedt aus.

Nachdem die EU 2001 ein Aufforderungsschreiben an Deutschland gesandt hat, endlich Vogelschutzgebiete auszuweisen und dabei auch auf die IBA-Liste hingewiesen hatte, war schon klar, dass Eiderstedt betroffen sein würde. Die damalige Landesregierung wollte mehr als die IBA-Gebiete melden, was sicherlich nicht notwendig gewesen wäre und von den meisten – auch von uns – scharf kritisiert wurde. Erst einmal wurde teilweise nachgebessert und dann sollten die strittigen Gebiete später endgültig gemeldet werden. Die fehlenden Fachkonzepte wurden zwar nachgereicht, aber am 03. April 2003 wurde wiederum ein ergänzendes Aufforderungsschreiben an Deutschland geschickt – diesmal mit der konkreten Nennung von Gebieten und wieder unter dem Hinweis auf die IBA-Gebiete. Dann kam der Regierungswechsel und man wies nur politisch gewollte 2.800 Hektar aus. Das kann die EU nicht zufrieden stellen und das wird die EU nicht zufrieden stellen. Das haben wir immer gesagt und jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen. Die Kommission wird nun beim Europäischen Gerichtshof Klage einreichen, um die Gebietskulisse zu verändern. Damit stehen die IBA-Gebiete wieder im Raum.

Was aber viel schlimmer wiegt ist, dass alle Maßnahmen, die die Härten für die Betroffenen abfedern sollten und die ein effektives Flächenmanagement im Sinne der Vogelschutzrichtlinie sicherstellen sollten, gekürzt oder abgeschafft worden sind. Mit den 2.800 Hektar hat man den Menschen Sand in die Augen gestreut und dann klammheimlich der Region alle Hilfen entzogen. Hier hat die Landesregierung nun die Pflicht, endlich Maßnahmen für die Region und für den Vogelschutz auf Eiderstedt mit Geld zu unterlegen, damit hier keine unbilligen Härten entstehen. Wir müssen davon ausgehen, dass wahrscheinlich bis zu 10.000 Hektar, nämlich das IBA-Gebiet ohne bebaute Flächen, als Vogelschutzgebiet auf Eiderstedt ausgewiesen werden. Für diesen Fall muss man von Seiten der Landesregierung gerüstet sein und an die von der letzten Landesregierung geplanten finanziellen Maßnahmen anknüpfen. Daran führt kein Weg vorbei.

Nebenbei bemerkt kann man dann auch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, wenn man endlich daran geht und für das gesamte betroffene Gebiet einen Managementplan aufstellt. Schon jetzt ist klar, dass insbesondere der westliche Teil Eiderstedts ein besonderes Nahrungsgebiet für die schützenswerte Nonnengans ist. Zusammen mit der Weißwangengans frisst sie inzwischen ganze Landschaften leer. Hier kann man mit konkreten Managementmaßnahmen durchaus erreichen, dass diese Vögel auf bestimmte Flächen umgeleitet werden können. Dies lässt sich auch als Vertrags-Naturschutz festschreiben, so dass die Menschen vor Ort etwas für ihre Naturschutzleistung bekommen und gleichzeitig der Druck von den bewirtschafteten Flächen genommen wird. Wenn wir dann noch zugunsten dieser Tiere sektoral die extensive Schafbeweidung im Vorland wieder einführen, können wir ebenfalls etwas erreichen. Schutzmaßnahmen für Vogelarten können also durchaus auch etwas im Sinne der örtlichen Landwirtschaft leisten.

Wir sind auch in der Lage, dies zu leisten. Es stehen uns eine Vielzahl von europäischen Programmen zur Verfügung, um Natura 2000 umzusetzen. Für Maßnahmen zugunsten des ländlichen Raumes und zum Schutz von Natur und Umwelt kann der Strukturfonds der EU genutzt werden. Hierzu zählen der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, der Europäische Sozialfonds und auch der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft. Weiter kann man auch das ELER-Programm nutzen. Und für Projekte kann auch das LIFE-Nature Programm genutzt werden, das auch Direktzahlungen an Landwirte zulässt. Die EU stellt also genug finanzielle Möglichkeiten zur Umsetzung von Natura 2000 zur Verfügung; man muss sie nur nutzen wollen. Und dieser Wille hat bei der Landesregierung bisher gefehlt. Stattdessen hat man eine Hinhalte- und Salamitaktik für Eiderstedt gewählt, den Menschen Sand in die Augen gestreut und einfach nur tatenlos zugesehen. Wir verlangen, dass die Landesregierung nun endlich handelt und insbesondere für Eiderstedt finanzielle Rahmenbedingungen schafft, dass der Vogelschutz im Einklang mit den Menschen umgesetzt werden kann. Naturschutz muss sich lohnen und Naturschutz kann sich lohnen; wenn es die Landesregierung denn will und nicht in ideologischen Schützengräben verharrt. Und genau da müssen sie raus!

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