Rede · 26.01.2023 Wärmewende statt Kompetenzgerangel und Doppelstrukturen

„Wollen wir die Wärmewende wirklich, dann erfordert das öffentliche Investitionen! Mit einer privaten Wärmepumpe hier und da werden wir diese Mammutaufgabe nicht stemmen.“

Christian Dirschauer zu TOP 18 - Einrichtung eines Kompetenzzentrums für klimaneutrale Wärmeerzeugung in Schleswig-Holstein (Drs. 20/573)

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir uns beim Thema Wärmeerzeugung seit einigen Monaten im Kreis drehen. Im November-Plenum haben wir einen Antrag der SPD-Fraktion zu Wärmenetzen – was ja ein ganz wesentlicher Faktor im Bereich klimaneutrale Wärmeerzeugung ist - in den zuständigen Ausschuss überwiesen. Dort wurde eine schriftliche Anhörung beschlossen. Diese ist noch nicht abgeschlossen, etliche Stellungnahmen fehlen noch. 
Die regierungstragenden Fraktionen haben sich recht vehement gegen den Vorschlag der SPD ausgesprochen, eine landeseigene Infrastrukturgesellschaft für den Ausbau von Wärmenetzen zu gründen. Die Kollegin Täck argumentierte, mit der Energie- und Klimaschutzinitiative Schleswig-Holstein hätten wir schon eine Beratungsstelle, die den Kommunen auf den Weg helfen könne bei der Planung von Wärmenetzen und einer klimafreundlichen Wärmeversorgung. Und nun sollen wir ein Kompetenzzentrum für klimaneutrale Wärmeerzeugung beschließen. Daran ist in der Sache wahrscheinlich nichts falsch, mit dem Kompetenzzentrum des Landes für die Breitbandversorgung haben wir gute Erfahrungen gemacht. Dennoch frage ich mich: bevor wir nun etwas Neues beschließen, warum warten wir nicht erstmal die Ergebnisse der Anhörung ab, bevor wir konkrete Maßnahmen beschließen? 
Inhaltlich bin ich ganz bei Ihnen, dass die klimaneutrale Wärmeerzeugung ein bedeutender Faktor auf dem Weg zur Klimaneutralität ist. Wir wissen aber auch, dass das unmittelbar mit dem Ausbau der Fern- und Nahwärmenetze zusammenhängt. Nur mit dem Ausbau der Wärmenetze, gespeist aus klimaneutralen Wärmequellen, kann die Wärmewende in absehbarer Zeit gelingen. 
Und hier ist noch viel Luft nach oben, sind doch aktuell etwa 17 Prozent aller deutschen Haushalte an ein Wärmenetz angeschlossen. Auf der anderen Seite haben 50 Prozent der Haushalte eine Gastherme im Keller. Den Menschen hierzu eine gute und bezahlbare Alternative durch den Anschluss an ein Wärmenetz zu ermöglichen, muss für so viele Gebiete wie möglich das Ziel sein. Aber wir müssen auch mutiger sein, wenn wir die Wärmewende wirklich erreichen wollen. 
Hierzu der Blick zu unseren dänischen Nachbarn: 1979 wurden dort die Kommunen verpflichtet, kommunale Wärmepläne zu erarbeiten, Ziel war es, so vielen Haushalten wie möglich Energie aus Kraft-Wärme-Kopplung anzubieten. 1979, das war vor über 40 Jahren! Heute sind 63 Prozent der dänischen Haushalte mit Fernwärme versorgt, 50 Prozent der Fernwärme stammt aus Erneuerbaren Energien. 2013 hat man Öl- und Gasheizungen in Neubauten verboten, 2016 dann den Austausch alter fossiler Heizungen gegen neue fossile Heizungen. Und das ganz ohne Gasmangellage und Energiepreiskrise. 
Bei uns ist es nicht lange her, dass man Gasthermen als ideale Wärmequellen für Privathaushalte angesehen hat. Daher: ja, wir müssen etwas tun, damit die Kommunen nun schnell die Wärmewende vollziehen und wir nicht noch mehr kostbare Zeit verlieren. Was wir aber nicht brauchen ist Kompetenzgerangel und Doppelstrukturen. Daher müssen wir erstmal genau schauen, was das Kompetenzzentrum Kommunale Wärmewende, das von Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums ins Leben gerufen wurde, macht. Und wir müssen uns klar machen: Wärmenetze sind teuer, nur mit Beratungsleistungen bekommen wir die nicht auf die Beine gestellt, hier braucht es auch ausreichend Fördermittel, damit solche Investitionen gestemmt werden können. Und es braucht eine vernünftige Prioritätensetzung. 
Wenn wir fast genauso viele Fördergelder für private Balkonsolaranlagen, Wallboxen und Wärmepumpen zur Verfügung stellen wie für den Ausbau großer Wärmenetze, dann wird die Wärmewende noch viel Zeit brauchen. Wollen wir die Wärmewende wirklich, dann erfordert das öffentliche Investitionen! Mit einer privaten Wärmepumpe hier und da werden wir diese Mammutaufgabe nicht stemmen. 
Wenn wir aber anerkennen, dass die Wärmewende vor allem eine öffentliche Aufgabe sein muss und wir so vielen Hausbesitzern wie möglich in absehbarer Zeit ein Angebote für den Anschluss an ein Wärmenetz machen, dann können wir es auch in Schleswig-Holstein schaffen, den Wärmesektor klimaneutral umzubauen! 
Wir beantragen Ausschussüberweisung für die beiden vorliegenden Anträge, damit wir die aktuell laufende schriftliche Anhörung zum Thema in die Entscheidungsfindung einbeziehen zu können.

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