Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 26.02.1999 Wehrmachtsausstellung im Landeshaus

In seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung "Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" hob der dänische Oberrabiner Bent Melchior hervor, wie notwendig es sei, sich an diesen Teil der deutschen Geschichte zu erinnern. Er bezeichnete die Ausstellung als "wichtigen Beitrag zu einem Deutschland und einem Europa, die für den Frieden arbeiten".
Bent Melchior war ein Opfer des nationalsozialistischen Deutschlands. Er rettete sein Leben, weil ein deutscher Diplomat - Georg Ferdinand Duckwitz - Zivilcourage zeigte und seine Verbindungen im dänischen Widerstand über die geplante Verhaftung der dänischen Juden informierte. 1995 wurde ihm das Große Bundesverdienstkreuz verliehen, als Anerkennung für seinen Beitrag zur Versöhnung mit Deutschland - sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.
Somit gelang es Bent Melchior, in wenigen Worten deutlich zu machen, daß die Ausstellung letztendlich dazu beitrage, daß Menschen in Europa friedlicher zusammen leben können. Um so bedauerlicher ist es, daß Herr Würzbach und sein Landesverband immer nur in die gleiche Kerbe hauen konnten. Die Ausstellung diffamiere, sie spalte das Land.
Tatsächlich liefert die Wehrmachtsausstellung keine wesentliche Informationen, die nicht schon tausendfach in wissenschaftlichen Darstellungen, in Schulbüchern, Fernsehreportagen und Zeitungsartikeln vermittelt worden wären. Um zu wissen, zu welchen Abscheulichkeiten sich Menschen in kriegerischen Ausnahmesituationen und in totalitären Gesellschaften hinreißen lassen, muß man die Ausstellung nicht gesehen haben.
Man muß sie aber gesehen haben, um zu begreifen, wie wichtig es ist, daß eben diese Ausstellung nicht wie bisher im "kulturellen Raum" , sondern im öffentlichen politischen Raum gezeigt wird. Und wo sonst wird politische Öffentlichkeit hergestellt, wenn nicht hier im Landtag?
In seiner ersten Bilanz nach Beendigung der Ausstellung hob der Landtagspräsident hervor, daß es aus seiner Sicht notwendig und richtig war, die Ausstellung nach Schleswig-Holstein zu holen. In einer bewegenden, wochenlangen, breiten öffentlichen Diskussion hätten sich alt und jung, Schülergruppen und Soldaten dem Thema der Ausstellung gestellt. Wobei es nicht wichtig sei, ob man in den Meinungen mehr bei einander liege oder mehr polarisiere - wichtig sei, daß man im Gespräch bleibe. Der Landtag hat - in der Person des Landtagspräsidenten - diesen Diskurs möglich gemacht, indem er der Ausstellung Raum schenkte und indem er sich mit zwei Landtagsforen an der politischen Bildungsarbeit im Rahmen der Ausstellung beteiligte. Dafür sei dem Landtagspräsidenten von dieser Stelle aus nochmal gedankt.
Vor diesem Hintergrund stimmt es schon bedenklich, daß Teil der Kritiker den Dialog verweigerten - so zum Beispiel die "Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft", die eine eigene "Anti-Wehrmachtsausstellung" Resolution verabschiedete - auf einer Veranstaltung "Wider den Mißbrauch der Geschichte deutscher Soldaten zu politischen Zwecken". In diesr Resolution wird festgestellt: "Die Wehrmacht war keine verbrecherische Organisation. Ihre Angehörigen haben in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit ehrenhaft gekämpft."
Diese Kritiker meinen also weiterhin, daß die nachweislich unter der Regie der Wehrmacht verübten Verbrechen nicht allen, nicht der Insitution "Wehrmacht" zu Last gelegt werden dürfen. So wenig es aber wahr ist, daß alle Wehrmachtssoldaten Kriegsverbrecher sind, so wenig ist es wahr, daß der Krieg, den Deutschland führte kein Verbrechen gewesen wäre.
Woher rührt das emsige Bestreben, offentliegende Tatsachen der deutschen Militärgeschichte zu ignorieren und die Ausstellungsmacher als Überbringer der schlechten Nachricht als Lügner und Nestbeschmutzer zu diffamieren? Das mag zum einen daran liegen, daß der Ausstellung von Anfang an einem Mangel an Wissenschaftlichkeit anheftete. Wobei völlig übersehen wird, daß die Forderung nach Wissenschaftlichkeit wie ein Totschlagargument eingesetzt wurde. Zum anderen rührt die Ausstellung aber grundlegend an dem Mythos der deutschen Nachkriegsgeschichte, daß zumindest die Wehrmacht - im Gegensatz zu den Nazis - sich anständig verhalten hat und "sauber" gekämpft hat. Die Ausstellung durchlöchert diese Illusion nachhaltig.
Die Wehrmachtsausstellung will nicht alle 18 Millionen ehemaligen Wehrmachtsangehörigen diffamieren oder als Kriegsverbrecher hinstellen. Die Ausstellung zeigt nur in aller Deutlichkeit, daß die Wehrmachtsangehörigen nicht auf der Seite des Rechts und der Freiheit standen. Wir müssen deshalb auch heute noch über die Loyalitätsfrage von Soldaten nachdenken und darüber, wie wir die Zielsetzung von Bürger und Demokraten in Uniform bei der heutigen Bundeswehr umsetzen. Alle Tendenzen, die Bundeswehr in die Tradition der Wehrmacht einzuordnen müssen verurteilt werden. Die Bundeswehr besitzt ihre eigene demokratische und freiheitliche Tradition. Wehrverfassung und Traditionserlaß haben dies unmißverständlich klar gemacht.

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