Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 11.10.2002 Wettbewerb in der Stromwirtschaft

Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes wurden Befürchtungen laut, dass kleine kommunale Unternehmen am Markt der Großen in Zukunft nicht bestehen können. Wir müssen feststellen, dass dies bisher nur eingeschränkt der Fall ist. Natürlich wurde manch ein Unternehmen aufgekauft und manch ein Unternehmen musste eine Beteiligung eines großen Partners zulassen. Gleichwohl können wir aber auch feststellen, dass es auch positive Beispiele von Unternehmen, die trotzdem Bestand haben, gibt. So sind z.B. die Stadtwerke Flensburg seit über 100 Jahren zuverlässiger Versorgungspartner für Haushalte und Betriebe.
Im Haushaltskundenbereich gibt es zur Zeit noch keine sehr große Wechselbereitschaft. Man bleibt bei seinem bisherigem Versorger, weil man noch keine richtigen Erfahrungen mit den am Markt neu auftretenden Stromversorgern hat. Solange dies der Fall ist, können die kleinen regionalen Stromversorger und Stadtwerke noch überleben. Die Frage ist nicht, wie der derzeitige Stand ist – der ist ja noch recht gut – sondern wie die Zukunft aussehen wird.

Nach einer Phase der Konsolidierung geht man davon aus, dass die Preise in der Stromversorgung nach und nach steigen werden. In der Vergangenheit hat man ja von Seiten der Stromversorger versucht, die Endkunden mit Niedrigpreisen zu locken. Bisher war dies relativ erfolglos, da auf´s Jahr gesehen, vielleicht 50 oder 100 Euro pro Haushalt zu sparen waren. Erfahrungsgemäß kann man aber davon ausgehen, dass bei steigenden Preisen der Kunde sensibler reagieren wird. Zumal er nun auch die Wettbewerber am Markt als zuverlässig kennen gelernt hat.
Gehen wir nun noch davon aus, dass sich die Abgabenlast auf den Strombezug in der Zukunft eher erhöhen als sinken wird, können wir davon ausgehen, dass der Preiskampf von neuem ausbrechen wird. In Zukunft wird es noch attraktiver werden, den Stromversorger zu wechseln. Daher sollten die kommunalen Stromversorger auch nicht von der erfolgreichen Bewältigung der Liberalisierung des Strommarktes sprechen, sondern eher von einem guten Einstieg, der ihnen eine gewisse Verschnaufpause gebracht hat.

Für die kleineren kommunalen Unternehmen kommt es nun darauf an, die Grundlagen zu schaffen, dass die Arbeitsplätze vor Ort erhalten bleiben und die Wertschöpfung weiterhin vor Ort stattfindet. Hierbei kündigen sich schwierige Gratwanderungen an, die in den meisten Fällen in Übernahmen durch größere Unternehmen enden werden – dessen bin ich mir sicher.
Als Land können wir hierbei herzlich wenig tun. Die Liberalisierung des Strommarktes ist politisch gewollt und längst nicht mehr von uns zu steuern. Das, was wir zum Wohle der Menschen in den Regionen beitragen können ist, dass wir versuchen, auf eine gewisse Vielfalt in der Stromerzeugung hinzuwirken. So besteht die Chance, dass zumindest der Produktionsbereich weiterhin in vielfältigen Händen verbleibt. Daher ist der Weg Schleswig-Holsteins, auf erneuerbare Energien hinzuwirken, nicht nur aus ökologischer Sicht der vernünftigste Weg. Durch diesen Weg lassen sich auch Marktkonzentrationen im Produktionssektor verhindern. Ein großes Unternehmen wird sich nicht um jede Windkraftanlage, um jeden Windpark, jede Biogasanlage oder jedes Blockheizkraftwerk kümmern können. Gerade in diesen Bereichen liegen die Chancen für die Regionen. Dezentrale Energieerzeugung heißt das Stichwort. Hier ist Schleswig-Holstein führend und auf einem sehr guten Weg. Allerdings setzt dies voraus, dass der Geist und der Inhalt des EEGs erhalten bleibt. Hier meine ich weniger die Vergütungshöhen als eher die Pflicht zur Abnahme des Stroms.

Ein wenig anders sieht es auf dem Stromverteilermarkt aus. Hier ist die Konzentrationsphase in vollem Gang. Die Netze sind untereinander aufgeteilt und komplett in privaten Händen. Die Problematik, die sich in Zukunft ergeben wird, wird die selbe sein wie bei der Bahn und dem Schienennetz. Die Nutzung des Stromnetzes wird nur für denjenigen attraktiv sein, der die entsprechenden Durchleitungspreise zahlen kann. Die Antwort auf die Große Anfrage geht auf die Richtlinienvorschläge der EU-Kommission von 2001 ein. In diesen Richtlinien schlägt die EU-Kommission eine Regulierungsbehörde vor, die sicherstellen soll, dass die Netzbetreiber die Kraftwerke und Händler von Unternehmen, die mit ihnen verbunden sind, nicht besser stellen sollen. Hier genau wird in Zukunft der Knackpunkt sein. Die EU schlägt hierfür vorab festgelegte, bindend vorgeschriebene Tarife vor. In Deutschland setzt man bisher auf freiwillige Vereinbarungen mit der Stromwirtschaft. Dass Schleswig-Holstein schon 1998 Zweifel an einem solchen System, das auf Freiwilligkeit beruht, geäußert hat, hat nichts an Aktualität verloren.

Wir wollen einen diskriminierungsfreien Zugang aller Marktteilnehmer zum Netz. Hierbei müssen für alle die gleichen Bedingungen gelten. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann man dies nur auf Basis von zwei Szenarien erreichen.
Das erste Szenario wäre, dass sich das Netz in öffentlicher Hand befindet. Dies ist allerdings eine Alternative, die in Deutschland wohl nicht im entferntesten diskutabel ist, da sich die Netze immer im Besitz der Stromgesellschaften befunden haben.
Das zweite Szenario wäre, dass man den Vorschlägen der EU-Kommission folgt, und feststehende Preise für den Netzzugang festlegt und allen Marktteilnehmern den gleichen Zugang ermöglicht. Dies scheint ein logischer Weg zu sein. Ob dieser Weg allerdings in Deutschland durchsetzbar ist, ist fraglich. Da ist zum einen die Frage, ob man in solche Besitzrechte der Stromgesellschaften überhaupt so massiv eingreifen darf. Diese rechtliche Frage wird uns noch einige Zeit beschäftigen und – so vermute ich – am Ende nur unbefriedigend gelöst sein. Die zweite Frage in diesem Zusammenhang wäre aber auch, ob man überhaupt politisch gewillt ist, einen solchen Eingriff vorzunehmen. Ich vermute, eher nein.

Schlussendlich komme ich in der Frage des Netzzugangs und des Netzbetriebs zu dem Schluss, dass eher alles beim alten bleibt und wir damit rechnen müssen, dass dies gerade den größeren Unternehmen am Markt nützt. Im Netzbereich haben wir schon seit jeher eine Konzentration von Unternehmen und dies wird auch in Zukunft so sein. Nachteilig hierbei wird aber vor allem sein, dass wir keine entsprechenden Kontroll- und Koordinationsinstanzen schaffen, die ihrem Namen gerecht werden. Was das bedeutet, können wir bei den Antworten zu den Fragen 15 und 16 nachlesen. Die Netznutzungsentgelte werden erhöht und die Landesregierung kann nichts anderes sagen, als dass sie diesen Schritt bedaure.

Kommen wir nun noch zu den Stromhändlern. Hier gilt, was ich schon Anfangs sagte: Der Wettbewerb wird eher stärker als schwächer. Und aufgrund dieser Tatsache wird es auch hier Konzentrationsbestrebungen geben. Das heißt, die großen Konzerne werden danach streben, die kleineren regionalen Unternehmen aufzukaufen oder doch zumindest Mehrheitsbeteiligungen in diesen Unternehmen zu erreichen. Gegen die geballte Marktmacht von E.ON, Yello und Co. anzugehen, ist für einen regionalen Anbieter fast unmöglich.

Ich habe die ganze Zeit einen Unterschied zwischen Produzenten, Netzbetreibern und Händlern gemacht, um die einzelnen Wirkungsweisen im System Strommarkt deutlicher machen zu können. Aber wir wissen natürlich alle, dass die großen Unternehmen auf allen drei Märkten gleichzeitig tätig sind und so eine Marktmacht entwickeln, die kaum zu steuern ist. Für den kleinen regionalen Anbieter bleibt maximal ein Nischen-Dasein und der Trost, dass man zumindest mit dezentraler Energiegewinnung einen kleinen Teil des großen Kuchens mit abbekommen kann. Spinnt man die gesamte Entwicklung zu Ende so merkt man, dass die derzeitigen Probleme mit der Liberalisierung des Strommarktes kaum bewältigt sind und die nächsten Probleme schon anstehen. Mit der Liberalisierung des Gasmarktes sind die gleichen Konzerne beschäftigt und es gelten fast die gleichen Bedingungen, die die gleichen Probleme auslösen.

Im Ausschuss sollten wir uns darüber unterhalten, wie wir unter diesen Bedingungen, unsere heimische Stromwirtschaft am besten unterstützen können, damit sie die Liberalisierung so gut wie möglich übersteht.

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