Rede · Lars Harms · 15.12.2016 Wir haben eine starke, zukunftsgerichtete digitale Strategie
Lars Harms zu TOP 2 + 21 a) Regierungserklärung “Digitalisierungsstrategie des Landes Schleswig-Holstein“ b) Rechtssicherheit für Anbieter freier WLAN-Internetzugänge schaffen
„In der digitalen Agenda wurden sieben strategische Kernthemen herausgearbeitet. Von der digitalen Infrastruktur über Medienkompetenz und Teilhabe bis Governance, werden in den jeweiligen strategischen Kernthemen, die Schwerpunkte und politischen Initiativen beschrieben.“
Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet immer weiter voran. Man kann es uneingeschränkt begrüßen oder kritisch sehen – aufzuhalten ist der digitale Wandel nicht. In allen gesellschaftlichen Bereichen – ob im Alltag, im Arbeitsleben oder in der Kommunikation – überall hält er unaufhaltsam seinen Einzug. Daher ist es gut und richtig, dass die Landesregierung sich diesem Thema angenommen hat. Ressortübergreifend und gemeinsam mit Experten wurden Ideen und Maßnahmen erarbeitet, die sich in der digitalen Agenda wiederfinden. Wohlwissend, dass dies keine Bibel ist – denn der Prozess ist nicht abgeschlossen – ist es ein zukunftsgerichtetes Strategiepaier für unser Land und auch für uns als Politik. Es ist wichtig, für Schleswig-Holstein zu benennen, wie wir den digitalen Wandel begleiten und gestalten wollen. In der digitalen Agenda wurden sieben strategische Kernthemen herausgearbeitet. Von der digitalen Infrastruktur über Medienkompetenz und Teilhabe bis Governance, werden in den jeweiligen strategischen Kernthemen, die Schwerpunkte und politischen Initiativen beschrieben.
Richtig ist, Schleswig-Holstein steht hier nicht allein. Alle politischen Ebenen sind in der Verantwortung. Vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen sind alle Beteiligten gefordert, die Herausforderungen des digitalen Wandels anzunehmen. Das fängt damit an, dass wir die Infrastruktur benötigen. Denn egal wo wir uns befinden, die Grundvoraussetzung für die digitale Gesellschaft ist eine leistungsfähige und gut ausgebaute Infrastruktur. Die Versorgung des Landes bildet das Rückgrat und die Grundlage der digitalen Agenda. Daher besteht ein großes und drängendes Bedürfnis, die digitale Infrastruktur mit leistungsfähigem Breitband – Sprich Glasfaser – weiter auszubauen. Die Breitbandversorgung ist ein entscheidender Standortfaktor für die Zukunftsfähigkeit der Gemeinden. Ein leistungsfähiges Internet ist nicht nur wichtig für ansässige Unternehmen, zunehmend ist es auch für Bürgerinnen und Bürger immer mehr von Bedeutung. Dort wo noch keine Glasfaserinfrastruktur verfügbar ist, müssen leistungsfähige Mobilfunkverbindungen den Zugang sichern. Dies darf aber nur eine Übergangslösung sein.
Daher ist ausdrücklich zu begrüßen, dass das Land die Breitbandstrategie auf den Weg gebracht hat und weiter systematisch umsetzt. Das Ziel muss bleiben, bis 2030 eine flächendeckende Glasfaserinfrastruktur zu schaffen und davon weichen wir nicht ab.
Um dies zum Erfolg zu bringen steht die Landesregierung als wichtiger Partner und Ratgeber an der Seite der Gemeinden. Dabei hat sich insbesondere das Kompetenzzentrum bewährt, das als Beratungs- und Koordinierungsstelle zur Verfügung steht. Ausschlaggebend für den Erfolg der Breitbandstrategie ist jedoch die flächendeckende Nachfrage nach Glasfaser. Gerade im ländlichen Raum spielt der Kosten-Nutzen-Faktor eine erhebliche Rolle. Die Tiefbaukosten sind mit 70-80% der wesentliche Faktor für den Erfolg. Soll heißen: Viele Kilometer Leitung für verhältnismäßig wenig Kunden. Daher ist man gerade dort auf gute Konzepte und Strategien angewiesen – was in der Agenda als Stimulierung der Breitbandnachfrage beschrieben wird.
Das jüngst verabschiedete Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze wird dazu beitragen, die Ausbaukosten zu reduzieren. Das wird dem Ganzen einen weiteren Schub geben.
Die Stimulierung der Breitbandnachfrage, um damit den flächendeckenden Ausbau mit Glasfaser zu schaffen, muss gelingen, damit alle Bevölkerungsteile den Anschluss an die neuen Medien haben. Wer dies irgendwann nicht hat, wird sich in der digitalen Lebens- und Arbeitswelt nicht mehr zurechtfinden und sich schon bald ausgegrenzt sehen. Es geht dabei nicht nur um online einkaufen oder sich online informieren. Es geht um Teilhabe. So wie Rechnen, Lesen und Schreiben zu den Grundfertigkeiten zählen, wird dies auch auf den Umgang mit digitalen Medien zutreffen. In vielen Berufen ist dies bereits heute ein Einstellungskriterium.
Wer also nicht zu den Verlierern von morgen gehören will, darf sich dem digitalen Wandel nicht verschließen. Mit einer solchen Aufforderung geht aber auch Verantwortung einher. Verantwortung in dem Sinne, dass Bürgerinnen und Bürger dann auch befähigt sein müssen, mit den modernen Medien umzugehen. Stichwort: Medienkompetenz, Medienbildung.
Wir wollen eine moderne und digitale Gesellschaft, die auch wirklich ihren Nutzen aus den sich ihr bietenden Möglichkeiten zieht. Das stellt uns vor neue Bildungsanforderungen. Die Menschen müssen lernen, verantwortungsbewusst und reflektiert mit digitalen Medium umzugehen. Darum müssen wir bereits heute eine Antwort auf die Frage haben, wie wir den Umgang mit digitalen Medien und das digitale Lernen insgesamt weiterentwickeln und gestalten wollen.
Das gilt nicht nur für unsere Kinder und die Lehrkräfte in den Schulen, sondern letztendlich für jeden von uns. Deshalb müssen wir uns gemeinsam und vor allem langfristig mit dieser Thematik befassen. Daher müssen sich unsere Schulen auf diese veränderte Lebenswirklichkeit vorbereiten. Sie müssen die Chancen, die in diesen Veränderungen liegen, noch aktiver für sich nutzen. Unsere Aufgabe ist es, hier zu unterstützen und für die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu sorgen. Und das tun wir.
Damit wir unseren Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben können, sich zu kompetenten Mediennutzern auszubilden, brauchen wir gut durchdachte Konzepte, die diese Kompetenzen vermitteln und festigen. Dabei kommt natürlich auf unsere Schulen und unsere Lehrkräfte eine wichtige Rolle zu. Dieser Verantwortung werden sie in den allermeisten Fällen bereits heute gerecht. Wir alle wissen, dass zum Beispiel digitale Techniken längst in verschiedener Weise genutzt werden. So bieten sich bereits heute die Möglichkeiten, wenn es um den Fachunterricht auf Halligen oder den Unterricht von Schülerinnen und Schülern im Krankenhaus geht.
Das Lernen in der digitalen Gesellschaft ist längst ein Schwerpunktthema des Bildungsministeriums ist. Hier dürfen wir auch nicht nachlassen. Und es ist absolut notwendig, hier vielfältige Ansätze und Projekte – und vor allem auch den Austausch darüber – weiter zu fördern. Mit unserem Gesetz zur Lehrerbildung geben wir unseren zukünftigen Lehrkräften auch das Rüstzeug an die Hand, um Medienkompetenz effektiv zu vermitteln. Damit helfen wir gleichzeitig den Schulen, wenn es um Fragen rund um die IT- und Medienausstattung geht. Ich denke, damit haben wir bereits einen wichtigen Schritt in dieser Sache getan und dem Thema den Stellenwert gegeben, der ihm zusteht.
Aber wir können und müssen noch besser werden. Dabei geht es nicht nur um die IT-Ausstattung an den Schulen. Wir müssen auch dafür sorgen, dass die Schulen mit einer ausreichenden, zukunftssicheren Bandbreite an das Internet angebunden werden. Mit der Schaffung eines öffentlichen Glasfasernetzes werden wir das Ziel, „Schulen an Netz“, weiter voranbringen.
Das Gelingen des landesweiten Netzausbaus steht für den Erfolg des digitalen Wandels in allen Bereichen. Bereits heute ist es aus wirtschaftlicher Sicht ein maßgeblicher Standortfaktor. Der globale Handel oder die Vernetzung von Unternehmen untereinander nehmen immer mehr zu.
Neue miteinander vernetzte Produktionssysteme und –anlagen mit digitalen und datenbasierten Strukturen schaffen ganz neue Möglichkeiten in der Produktion. Die Abläufe in den Firmen werden sich komplett ändern. Dies betrifft dann nicht nur die Produktionsstrecken der großen Firmen, sondern auch die kleineren Zuliefererbetriebe. Die Vernetzung der Betriebe miteinander ermöglicht, dass in Echtzeit auf Produktionsänderungen reagiert werden kann – und dabei spielt die Entfernung keine Rolle.
Der Begriff „Industrie 4.0“ dominiert derzeit alle industriepolitischen Foren, Messen und Kongresse. Diese Dominanz verdeutlicht den Entwicklungsschritt vor dem die Wirtschaft steht. Es wirft aber auch Fragen auf – die zu beantworten sind – und stellt uns vor neue Aufgaben.
Dabei geht es um Konzepte und Strategien, damit die Wirtschaft bei uns im Land die künftigen Herausforderungen bestehen kann. Hier steht die Landesregierung im engen Kontakt mit Wirtschafts- und Wissenschaftseinrichtungen. Wir werden die Förderinstrumente den neuen Anforderungen entsprechend anpassen.
Die mit dem Wandel verbundenen Ansprüche stellen aber auch ganz neue Anforderungen an die Mitarbeiter der Unternehmen. Die damit einhergehenden Ansprüche und Belastungen sind nicht zu unterschätzen. Es darf deshalb nicht sein, dass die Mitarbeiter von der Technik überrollt werden. Die Unternehmen haben hier eine Verantwortung ihren Mitarbeitern gegenüber. Sie müssen sie auf dem neuen Weg mitnehmen und entsprechend qualifizieren. Aber auch die Landesregierung hat diesen Punkt zu fassen und in der Agenda klar benannt. Soll heißen, das Land wird diesen Prozess durch eine geeignete Bildungs- und Weiterbildungspolitik stetig begleiten. Und das gut zu wissen, denn die Menschen brauchen eine Perspektive, beispielsweise wenn Arbeitsplätze durch die fortschreitende Digitalisierung der Wirtschaft wegfallen könnten.
Die Digitalisierung eröffnet ganz neue Wege in nahezu allen Bereichen. Sie bietet die Möglichkeit einen ganz neuen Zugang im Bereich Kunst und Kultur zu schaffen. Mit den 2014 beschlossenen „Kulturperspektiven Schleswig-Holstein“ hat das Kulturministerium erstmals ein Konzept für die Kulturpolitik des Landes ins Leben gerufen, das unter anderem die Digitalisierung von Kulturgütern aufgreift. Die digitale Darstellung in einer virtuellen Kulturstätte ermöglicht einen ganz neuen Erlebnisraum, unabhängig von Zeit und Ort. Damit wird ein ganz neuer Zugang zu Kunst und Kultur geschaffen. Gerade der jungen Generation lässt sich damit bessere kulturelle Bildung und den Wert von Kultur nahe zu bringen.
Es geht aber nicht nur darum, alte Kulturgüter digital zu archivieren. Vielmehr müssen auch die Informationen von heute entsprechend archiviert werden. Soll heißen: Kultur von heute muss auch morgen zugänglich sein. Das Landesarchiv wird bei der Umsetzung zu einem solchen digitalen Museum Schleswig-Holstein die zentrale Rolle spielen.
Mit der Vernetzung komplexer digitaler Systeme oder mit dem Austausch von Daten, geht immer auch die Frage nach der Sicherheit und des Datenschutzes einher. Ob es die Privatsphäre ist, die der Nutzer geschützt sehen will oder ob Unternehmen ihre Betriebsgeheimnisse schützen wollen. Sicherheit und Datenschutz müssen auch in Zukunft gewährleistet werden – auch wenn wir wissen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt und es sie auch künftig nicht geben wird. Aber darum geht es auch nicht. Es geht darum, dass wir uns heute darüber Gedanken machen müssen, welche Möglichkeiten wir in einer digitalen Gesellschaft zulassen wollen und wo wir Grenzen einziehen wollen. Wollen wir beispielsweise eine Identitätskennung haben, die nahezu alles, über einen Preis gibt – von Gesundheitsdaten bis zu Steuerdaten? Und wie können wir hier trotzdem den Datenschutz und die Datensicherheit gewährleisten? Immer wieder werden solche Diskussionen bereits heute geführt und andere Länder machen es vor. Der Datenschutz hat in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert und das ist gut so.
Abschließend möchte ich kurz auf den Antrag der Piraten eingehen. Der SSW unterstützt ausdrücklich alle Initiativen, die einen kostenfreien Zugang zum Internet ermöglichen. Aus Sicht des SSW ist ein kostenfreier Zugang als ein weiteres Mittel zu sehen, hin zu einer Informationsgesellschaft. In Flensburg, Kiel oder auf Helgoland hat der SSW Freifunk-Router finanziert, zur Verfügung gestellt oder die Maßnahme anderweitig unterstützt. Diese gewähren im Verbund mit anderen einen flächendeckenden Internet-Anschluss. Jeder, der auf der Straße vorbei geht, kann sich kostenlos einloggen und das Internet nutzen. Diese Bewegung, die freie Ressourcen privater Anschlüsse öffentlich nutzbar macht, ist ein Beispiel für eine interessierte und engagierte Bürgergesellschaft. Solche Initiativen sind absolut vorbildlich.
Mit den vom Bund verabschiedeten Änderungen zum Telemediengesetz werden wir zwar bald überall über WLAN verfügen, aber eben nur für entsprechende Gebühr. Leider hat der Bundesgesetzgeber versäumt eine klare Rechtssicherheit in Bezug auf offene Funknetze und die Störerhaftung zu schaffen. Das ist kein Fortschritt und deshalb muss das Gesetz in Berlin überarbeitet und die Bürgerinnen und Bürger frei von Haftung gehalten werden.
Natürlich müssen Urheberrechte auch im offenen Internet gewahrt bleiben. Doch dies ist eher eine technische Frage, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.
Man sieht schon, die Digitale Agenda ist eine große Nummer. Gut, dass unsere Landesregierung hier engagiert handelt.