Rede · Lars Harms · 27.09.2023 Wir sind die jüngsten 75-Jährigen, die es je gegeben hat
Begrüßung des Fraktionsvorsitzenden der SSW-Landtagsfraktion, Lars Harms, zum 75-jährigen Jubiläum der SSW-Landtagsfraktion am 27. september 2023 im Kielder Landtag:
Zwar waren die dänische und friesische Minderheit schon seit 1946 hier im Landtag durch Abgeordnete vertreten, aber erst als der SSW auf Geheiß der britischen Besatzungsmacht gegründet wurde, schlossen sich die damaligen 6 Abgeordneten der dänischen und friesischen Minderheit zur SSW-Fraktion zusammen. Das entsprechende Dokument können Sie im Foyer bewundern. Das Gründungsjahr der SSW-Fraktion im Landtag ist somit das Jahr 1948. Das Jahr, in dem sich der Staat Israel gegründet hat; in dem das Magazin „Der Spiegel“ erstmals herausgegeben wurde; in dem in West- und Ost-Deutschland Währungsreformen durchgeführt wurden. Das Land Schleswig-Holstein war da noch sehr jung. Gerade einmal zwei Jahre war es erst alt. Und der Zweite Weltkrieg war gerade einmal 3 Jahre her. Unvorstellbare Zerstörungen; riesige Herausforderungen, die Flüchtlinge unterzubringen und die ersten Braunen waren schon wieder in Amt und Würden. Man kann wohl mit Recht sagen, dass der SSW in eine Zeit riesiger Umwälzungen hineingeboren wurde.
Und die Zeiten wurden nicht ruhiger. Erlebt haben wir so ziemlich alles! Es gab Anfeindungen, noch bis in die neueste Zeit hinein. Es gab Wahlerfolge und natürlich auch Niederlagen. Aber an die Erfolge erinnern wir uns natürlich lieber. Und manchmal genießen wir sie auch, bis wir uns dann wieder in die Arbeit stürzen. Denn den SSW prägt insbesondere die innere Einstellung, dass man für die Wähler dann auch liefern muss. Wir haben einen Auftrag durch die Wähler und der ist zu erfüllen. Manche würden das preußische Pflichterfüllung nennen. Wir sagen aber lieber, dass uns unsere Bürgernähe treibt und dass das wirklich sehr skandinavisch ist!
Aber auch der SSW hat sich im Laufe der Jahrzehnte geändert. Übrigens ein gutes Zeichen, wenn man das kann. Das zeigt nämlich, dass man bereit ist, neuen Entwicklungen in der Gesellschaft gegenüber offen zu sein. Und das sind wir. Am Anfang war der SSW durchaus auch konservativ und marktwirtschaftlich geprägt. Später, aber auch sehr sozial orientiert. Freiheitsrechte waren uns immer wichtig. Und eine Konstante gibt es aber natürlich auch: die Minderheitenpolitik. Wir sind die Partei der dänischen und der friesischen Minderheit. Wir sind ganz klar das politische Sprachrohr der Minderheiten, das wurde ja auch in der Vergangenheit regelmäßig höchstrichterlich bestätigt. Die finanzielle, kulturelle und sprachliche Gleichstellung der Minderheiten mit der Mehrheitsbevölkerung wird immer unser Anliegen bleiben. Und da gibt es auch noch genug zu tun.
Aber wie sieht der Jubilar, der SSW, und damit auch die SSW-Fraktion im Landtag eigentlich heute aus. Na, man kann sagen, dass wir die einzige noch verbliebene Volkspartei in Deutschland sind. Ja ich weiß, nicht von der absoluten Stimmenzahl her. Aber von der Breite seiner Mitglieder. Wir haben konservative Menschen, Geschäftsleute und Unternehmer in unseren Reihen. Wir haben Landwirte bei uns. Aber auch echte Umweltschützer prägen unsere Partei. Dann gibt es da Gewerkschafter und Menschen, die sich in den Sozialverbänden engagieren. Dann gibt es Arbeiter, kleine Angestellte und auch deren Chefs in unseren Reihen. Und Schüler, Auszubildende und Studenten sowieso.
Und alle diese Leute prägen unsere Politik. Und deshalb können wir konservativ, liberal, sozial, grün, europäisch, aber auch nationalstaatlich orientiert sein. Wir können einfach alles! Und dabei spielt Ideologie eben gerade keine Rolle. Das, was uns im SSW verbindet, ist die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit. Alles andere wird nach gesundem Menschenverstand entschieden und da gucken wir dann auch gerne einmal rüber nach Dänemark oder in andere skandinavische Länder. Dort tickt man ähnlich wie wir; sehr pragmatisch!
Die SSW-Fraktion und der SSW sind also keineswegs die älteren betagten Herrschaften, die auf einer Bank auf ihrem Stock gestützt ihr Rentnerdasein fristen. Wir haben es nicht hinter uns. Wir haben alle möglichen Herausforderungen vor uns, denen wir uns auch gerne stellen. Wir haben Bock auf Politik! Wir haben Bock auf Veränderungen! Und wir haben Bock auf Zusammenarbeit mit Ihnen und mit Euch allen!
Wir, die SSW-Fraktion, sind die jüngsten 75-Jährigen, die es je gegeben hat. Und ich finde, ein bisschen sieht man es uns auch an! Und deswegen ist dies heute auch nicht eine reine Gedenkfeier mit Vergangenheitsperspektive, sondern auch eine Feier, die Lust auf mehr und die Lust auf eine tolle gemeinsame Zukunft machen soll. In diesem Sinne genießen Sie den Abend und herzlichen Dank, dass Sie und dass ihr alle gekommen seid!
