Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 11.05.2001 Wirtschaftsbericht 2001

Schon in der Debatte über den letzten Wirtschaftsbericht wies ich darauf hin, dass das alles überragende Problem der Arbeitslosigkeit das entscheidende Problem für unsere Gesellschaft ist. Damals wurde ein Wirtschaftswachstum von rund 2 Prozent erwartet. Die Realität hat uns nun eingeholt. Das Bruttoinlandsprodukt ist gerade einmal um 0,9 Prozent gewachsen. Das reicht in keinem Fall aus, um beschäftigungspolitische Effekte auszulösen. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ist in erster Linie mit dem demografischen Faktor begründet und dann natürlich auch mit den Initiativen der Landesregierung auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Dies ist sehr zu begrüßen, doch der Idealzustand ist natürlich weiterhin, dass die wirtschaftliche Entwicklung vornehmlich dazu beiträgt, Arbeitsplätze zu schaffen. Dieses Ziel haben wir nicht erreicht.

Eine weitere Frage, die sich stellt ist, ob es noch möglich ist, bei im Jahresdurchschnitt 114.000 Arbeitslosen und 116.000 offenen Stellen, die Vermittlung von Arbeitslosen zu perfektionieren. Ob dem so ist, kann ich nicht beantworten. Die reinen Zahlen sprechen aber dafür, hier eine Prüfung durchzuführen. Auf Bundesebene stehen rund 4 Millionen Arbeitslosen zirka 1,5 Millionen offene Stellen gegenüber. Das Verhältnis beträgt somit ungefähr 1 offene Stelle auf 3 Arbeitslose gegenüber dem Verhältnis 1:1 in Schleswig-Holstein. Vielleicht lässt sich bei der Arbeitsplatzvermittlung noch etwas für die Menschen in Schleswig-Holstein verbessern. Dabei ist es wichtig, dass die Arbeitslosen zielgenaue Aus- und Weiterbildungsangebote bekommen, so dass die offenen Stellen bedarfsgerecht besetzt werden können. In diesem Bereich gibt es noch sehr große Defizite, wie es heute morgen auch meine Kollegin Hinrichsen bei der Debatte um die Rechte und Pflichten der Arbeitslosen deutlich gemacht hat.
Ich möchte nun nicht auf alle Branchen im Einzelnen eingehen, sondern habe mir vielmehr eine Branche herausgesucht: den Tourismus. Auch in diesem Jahr sind die Beschäftigtenzahlen im Tourismus wieder erheblich zurückgegangen. Mit Minus 5,1 Prozent wird deutlich, dass der Tourismus in Schleswig-Holstein nicht mehr zu den Beschäftigungsmotoren gehört. Wir haben uns zur Zeit auf einem zwar hohen Niveau eingependelt, aber ein Fortschritt ist derzeit nicht erkennbar. Wir können nur hoffen, dass die Aktivität der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein mittelfristig zu den Erfolgen führt, die wir uns alle wünschen. Grundlage wird dabei weiterhin sein, ob es uns gelingt, das Ferienland Schleswig-Holstein als eine Einheit zu vermarkten und ob es uns gelingt, vorhandene Quartiere auch wirklich buchbar zu machen. Mit den Zeiten, dass unsere Quartiere nicht in Reisebüros zu buchen sind, muss endlich Schluss sein. Und ich glaube die Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein ist auf einem guten Weg dieses Ziel zu erreichen.

Die Aktivitäten der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein werden sich aber vornehmlich nur auf das derzeit vorhandene Angebot beziehen. Um einen nachhaltigen Fortschritt im Tourismus erreichen zu können, ist es aber wichtig, mit Reiseveranstaltern über zeitgemäße touristische Projekte zu reden. Sauberes Wasser, gute Luft und nette Menschen wissen wir alle und auch die Urlauber im Land zu schätzen. Dies sind aber alles Faktoren, die quasi durch den Gast „am Rande mitgenommen“ werden. Will man aber neue Gäste gewinnen und die alten an Schleswig-Holstein binden, so muss man sich den neuen Entwicklungen stellen. Als Stichworte seien nur genannt: Animation, alle Angebote unter einem Dach, wetterunabhängige Angebote, Freizeitparks, Center-Parks und so weiter. Wer touristisch weiterkommen will, muss sich diesen marktgegebenen Anforderungen stellen.

Kommen wir nun zur Regionalpolitik. Hier hat sich die Zielrichtung der Landesregierung in den letzten Jahren völlig verändert. Während man früher noch ein „Regionalprogramm für strukturschwache ländliche Räume“ hatte, um die Strukturnachteile, die zweifellos bestehen, abzufedern, haben wir heute ein Regionalprogramm, dass sich auch auf die Regionen im Land bezieht, denen es wirtschaftlich gut geht. Dass nun vorwiegend einzelne Projekte bewertet werden und nicht mehr ausschließlich nach regionalen Notwendigkeiten bei der Vergabe von Mitteln entschieden wird, ist in einer Hinsicht durchaus nachvollziehbar, aber ich meine die Landesregierung hat auch das ganze Land zu betrachten und die ungleiche wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.
Dies entlässt selbstverständlich, die einzelnen Regionen nicht aus der Verantwortung gute Projekte anzumelden, aber trotzdem sind wir der Meinung, dass die Landesregierung auf jeden Fall auch regionale Aspekte berücksichtigen muss, wenn Entscheidungen über zu fördernde Projekte fallen.
Letztendlich kann man den Strukturwandel in einer Gesellschaft nämlich nur dann bewältigen, wenn alle Menschen und alle Regionen auch die Möglichkeit hierzu erhalten. Das sollte immer noch die Hauptmaxime der Landesregierung sein, wenn es um Regionalförderung geht.

Der SSW ist deshalb der Auffassung, dass insbesondere der Landesteil Schleswig weiterhin Mittel aus der Regionalförderung benötigt. Nicht zuletzt die Problematik um das Motorola-Werk Flensburg hat gezeigt, wie abhängig die gesamte Region von den wenigen großen Produktionsstandorten ist. Wirtschaftsminister Rohwer hat laut Presse selbst darauf hingewiesen, dass sich für den Arbeitsmarkt im strukturschwachen Landesteil Schleswig neue Probleme abzeichnen. Die Landesregierung hat hier die Verpflichtung sich gerade um diese Regionen zu bemühen. Die Arbeitslosenzahlen für die Kreise Schleswig-Flensburg und Nordfriesland sehen nicht ganz so rosig aus. Auch der erneute Bundeswehrabbau ist gerade für den nördlichen Landesteil eine große Belastung und gezielte Konversionsmaßnahmen für die betroffenen Standorte sind notwendig. Wobei wir immer noch der Meinung sind, dass auch der Bund seinen Beitrag für ein Konversionsprogramm nutzen muss. Es kann nicht angehen, dass die Bundesregierung keine Verantwortung für den von ihr verursachten Strukturproblemen übernehmen will.

Voraussetzung, dass sich in den Regionen weiterhin etwas entwickeln kann ist unter anderem auch, dass die Verkehrsanbindungen weiter verbessert werden. Der Ausbau der A 20 und der damit verbundenen westlichen Elbquerung geht immer noch nur schleppend voran. Für den zukünftigen Zeitablauf ist es wichtig, die Entscheidung wo die Elbe überquert werden soll, möglichst früh einzuleiten. Dass unsere Priorität eher auf einer Hamburg-fernen und damit Westküstennahen Variante liegt, ist ihnen ja bekannt.

Das heißeste verkehrspolitische Thema wird aber sicherlich der Flughafen Kiel-Holtenau sein. Hier möchte ich nur daran erinnern, dass der geplante Flughafen ein Flughafen für die KERN-Region sein soll. Damit ist man in der Standortfrage erst einmal ungebunden. Bei der Entscheidung, welche Standortalternative überhaupt ins Auge gefasst werden soll, ist es wichtig zu prüfen, ob ich den zukünftigen Flughafen möglichst vielfältig nutzen kann und welche Zukunftsperspektiven sich für den jeweiligen Standort ergeben. Wenn man so will, sollte man für jeden in Frage kommenden Standort eine Studie über die mögliche regionale Entwicklung aufstellen, um dann die Sinnhaftigkeit eines solchen Aus-, Um- oder Neubaus zu erörtern. Ich glaube diese sehr wichtige Entscheidung für die regionale Entwicklung der KERN-Region sollte in keinem Fall übers Knie gebrochen werden.

Von enormer Wichtigkeit ist aber auch, dass die schienengebundenen Verbindungen weiter verbessert werden. Für dieses Jahr gibt es hier für mich zwei schienengebundene Projekte, die unbedingt angegangen werden müssen. Zum einen der qualitative und quantitative Ausbau der Verbindung zwischen Niebüll und Tondern und auf der anderen Seite die Beseitigung des Engpasses auf der Rendsburger Hochbrücke. Die Strecke Niebüll-Tondern hat nicht nur eine touristische Relevanz, sondern hier bestehen auch sehr gute Chancen das ganze Jahr über noch mehr Fahrgäste und mehr Güter auf die Bahn zu bringen. Eine ständige feste Verbindung zwischen Esbjerg und der Westküste bis hin nach Hamburg ist ein wichtiger Ausbau der regionalen Anbindung. Man könnte auch sagen, dies wäre Regionalförderung pur.

Auf dänischer Seite werden jetzt Anstrengungen unternommen, die Qualität der Strecke zu verbessern. Und ich könnte mir vorstellen, dass das Land hier im Rahmen einer Anschubfinanzierung wichtige Hilfe leisten könnte, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der beteiligten Verkehrsunternehmen weiter zu fördern. Ziel muss es auf jeden Fall sein, regelmäßige Fahrplanverbindungen auf dieser Strecke zu schaffen.

Eine vom Finanzvolumen her wesentlich größere Aufgabe ist die Beseitigung des Engpasses auf der Rendsburger Hochbrücke. Wir werden einiges schultern müssen, um hier einen Schritt voranzukommen. Bisher ist es so, dass die Jütlandlinie zwei große Engpässe hat: Der Engpass Pinneberg-Elmshorn, der zur Zeit angegangen wird und eben der Engpass auf der Rendsburger Hochbrücke. Wir wissen alle, dass die Vorlaufzeiten, was die verkehrliche Entwicklung angeht, sehr lang sind. Daher möchte ich dringend anmahnen, dieses Projekt möglichst frühzeitig anzugehen. Der SSW fordert die Landesregierung dazu auf, dieses Projekt zur Anbindung des nördlichen Landesteils und Skandinaviens mindestes genauso engagiert anzugehen wie das Projekt Fehmarn-Belt-Querung. Vielleicht lassen sich sogar einige Energien von dort auf das Projekt in Rendsburg umleiten.

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