Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 29.05.2008 Wirtschaftsbericht 2008

Die wirtschaftliche Lage in Schleswig-Holstein ist gut. Seit 2006 haben wir in Deutschland einen Aufschwung zu verzeichnen, von dem auch Schleswig-Holstein stark profitiert hat. Die Umsätze sind in den meisten Branchen in den letzten zwei Jahren wieder stark angestiegen und das Wirtschaftswachstum liegt 2007 immer noch bei 1,4 %. Die Arbeitslosigkeit ist auch in Schleswig-Holstein jetzt auf fast 7% gefallen und viele Arbeitslose –auch ältere – sind in den letzten Jahren wieder in Arbeit gekommen. Aus dem Wirtschaftsbericht geht dann auch hervor, dass Schleswig-Holstein sich auch in der Beschäftigungsentwicklung im Vergleich mit den anderen Flächenländern behaupten konnte.

Die Aussichten der schleswig-holsteinischen Wirtschaft sehen auch für dieses Jahr nicht schlecht aus. Viele Branchen vermelden immer noch volle Auftragsbücher. Die größten Sorgen bereiten den meisten Wirtschaftsexperten aber immer noch die Binnennachfrage, obwohl doch auch die Löhne angestiegen sind. Aber der Anstieg der Öl- und Lebensmittelpreise lässt natürlich auch die Inflation stark anwachsen. Daher fühlen die Menschen nicht, dass sie wirklich mehr im Geldbeutel haben, als noch vor einigen Jahren.

Und hier liegt wohl auch einer der entscheidenden Punkte, warum viele Bürgerinnen und Bürger trotz des in den Medien vermeldeten Aufschwungs frustriert sind. Warum fühlen so viele Menschen, dass der aktuelle Aufschwung an ihnen vorbei geht? Warum glauben so viele nicht mehr daran, dass dieser Aufschwung auch der ihrige ist?

Die Antwort darauf konnten wir vor 10 Tagen aus dem aktuellen Armutsbericht entnehmen. Die Kluft zwischen Reich und Arm in Deutschland wird größer und die Anzahl der Menschen, die man als arm bezeichnen kann, steigt auch an. Wir hängen diese Tatsachen damit zusammen, dass uns der Bundeswirtschaftsminister und auch heute der Landeswirtschaftsminister täglich neue Rekordmeldungen über die gute wirtschaftliche Lage geben?

Man muss es leider klar sagen: Die Arbeitslosenzahlen fallen zwar und auch wenn die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze ansteigt, so steigt die Anzahl der Billiglohnarbeitsplätze ebenfalls stark an. Das heißt, dass leider zu viele der neu geschaffenen Arbeitsplätze schlecht bezahlt werden und hier liegt aus Sicht des SSW eines der Hauptprobleme beim aktuellen wirtschaftlichen Aufschwung.

Was nützt es der Gesellschaft, wenn viele Unternehmen Leute einstellen, die von ihrer Arbeit nicht leben können. Das ist nicht nur unwürdig für die Arbeitnehmer, sondern die öffentliche Hand wird durch die zusätzlichen ALG-Leistungen und durch die Wohnungsgeldkosten sogar noch von solchen Arbeitsplätzen finanziell belastet. Aus Sicht des SSW gibt es daher nur eine Möglichkeit, um diese Probleme zu lösen: wir brauchen endlich einen generellen Mindestlohn in Deutschland.

Wenn fast alle europäischen Länder einen Mindestlohn haben, wenn unser Nachbarland Dänemark einen Mindestlohn von 13 Euro pro Stunde hat, kann mir keiner erzählen, dass dies die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen wirklich einschränkt. Der SSW fordert daher die Landesregierung dazu auf, eine Bundesratsinitiative zu starten, um endlich einen Mindestlohn in Deutschland einzuführen.

Aus dem Wirtschaftsbericht der Landesregierung geht leider nicht hervor, wie viele der neu geschaffenen Arbeitsplätze im unteren Lohnbereich anzusiedeln sind. Wir würden daher vorschlagen, dass der Wirtschaftsbericht in Zukunft auch den Aspekt der Billiglöhne umfasst, damit wir uns als Landtag ein mehr realistisches Bild von der Lage in der schleswig-holsteinischen Wirtschaft und von unserem Arbeitsmarkt machen können.

Ansonsten listet der Bericht, wie im jeden Jahr, die vielen positiven Initiativen auf, die die Landesregierung im Bereich Bildung, Forschung, Entwicklung oder bei der Clusterbildung in Gang gesetzt hat. Ich habe es bereits bei meinen Redebeiträgen zum Wirtschaftsbericht der vergangenen Jahren gesagt: Die Strukturen und Rahmenbedingungen zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft seitens des Landes, die ja bereits unter rot-grün eingeführt worden, sind auch von der jetzigen Landesregierung im großem und ganzen konstruktiv weiterentwickelt worden.

Die Förderinstitute des Landes sind weiterhin gut aufgestellt und auch das neue „Zukunftsprogramm“ für Schleswig-Holstein ist gut angelaufen. Wobei der SSW natürlich vor Ort sehr kritisch darauf achten wird, dass die Landesregierung die Westküste und den nördlichen Landesteil bei den Investitionen an die Unternehmen nicht vergisst.

Wir haben uns hier im Landtag bereits mehrfach über die Prioritätensetzung der Landesregierung bezüglich der Zusammenarbeit mit Hamburg oder der mit Dänemark unterhalten. Ich will gerne zugestehen, dass wir vom SSW den Eindruck haben, dass die Landesregierung die wichtige strategische Bedeutung, die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit für den nördlichen Landesteil hat, besser erkannt hat als die Vorgängerregierung.
Die letzten Verträge zwischen Schleswig-Holstein und der Region Süddänemark sind jedenfalls ein hoffnungsvolles Zeichen, dass wir in der deutsch-dänischen Zusammenarbeit einen weiteren Schritt vorankommen.

Natürlich werden wir uns trotzdem über die Details dieser Zusammenarbeit streiten. Und am Freitag haben wir ja auch die Gelegenheit, noch mal die unterschiedlichen Positionen beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur im Landesteil Schleswig darzulegen. Aber sie können sicher sein, dass der SSW weiterhin konstruktiv und kritisch den Einsatz der Landesregierung bei dem für uns so wichtigen wirtschaftlichen Thema begleiten wird.

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