Rede · Christian Dirschauer · 17.06.2021 Wo bleiben die Menschen mit geringem Einkommen bei Jamaikas Energieplänen?

„Visionen sind gut, aber sie müssen auch umsetzbar sein und vor allem müssen sie auch finanzierbar sein. Wenn solche Forderungen aufgestellt werden, dann müssen auch entsprechende Angebote mitgedacht werden. Und die sehe ich nicht.“

Christian Dirschauer zu TOP 9, 35, 44, 61 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Energiewende- 
und Klimaschutzgesetzes Schleswig-Holstein mit weiteren Anträgen und einem Bericht (Drs. 19/3061, 19/3089, 19/3076 und 19/3063)

In dieser Debatte haben wir es mit verschiedenen Anträgen zu tun, die durchaus unterschiedliche Aspekte und Ebenen haben. Der gemeinsame Nenner aller vorliegenden Initiativen ist der Klimaschutz und die Energiewende. Eingangs möchte ich auf die beiden Anträge zum European Green Deal eingehen. Mit dem EU-Beschluss wurde der Green Deal zum zentralen Bestandteil der EU-Klimapolitik. Das heißt, der Green Deal ist die europäische Weichenstellung, mehr für den Klimaschutz zu machen. Das Ziel ist formuliert und demnach soll die EU bis 2050 klimaneutral werden, sprich die Emissionen von Treibhausgasen sollen auf Null reduziert werden. Dieser Beschluss ist damit auch für uns als Land Schleswig-Holstein richtungsweisend und bindend. Und daher ist es bedauerlich, dass wir heute zwei Anträge zum Green Deal zur Abstimmung vorliegen haben. Wir als SSW hätten es begrüßt, wenn es im Ausschuss gelungen wäre, Einigkeit zu erzielen, um etwas Gemeinsames zu formulieren, damit Schleswig-Holstein bei diesem überaus bedeutsamen Ziel mit geeinter Stimme spricht. Stattdessen verzetteln wir uns im politischen Kleinklein. Darum sage ich, der SSW wird beiden Anträgen zustimmen, weil die Zielsetzung beider Anträge richtig ist. 
Wir sind nicht im luftleeren Raum und die Zielsetzung der EU gilt auch für uns als Land Schleswig -Holstein. Dem vorliegenden Bericht der Landesregierung ist zu entnehmen, dass das Land die mittel- und langfristigen klima- und energiepolitischen Ziele der Europäischen Union unterstützt. Und das ist gut so.
Der Green Deal hat neue Maßstäbe formuliert, weil erkannt wurde, dass die bisherigen Klimapläne der EU nicht ausreichen. In diesem Kontext sehen wir dann auch das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dort wurde festgestellt, dass die nationalen Klimaschutzziele und insbesondere der gegebene Zeitrahmen bis 2030, nicht ausreichend sind und daher nachgebessert werden muss. Soll heißen; auch auf nationaler Ebene muss mehr getan werden und vor allem müssen Ziele formuliert werden für den Zeitraum über 2030 hinaus.
Zugegeben, Schleswig-Holstein ist mit seinen bisherigen Maßnahmen, auf einem guten Weg, aber auch wir müssen angesichts der EU- und bundesrechtlichen Entwicklungen unseren Sach- und Prüfstand neu justieren. Dies gilt für die Energieeinsparung, die Energieeffizienz sowie für die Nutzung und den weiteren Ausbau Erneuerbarer Energien – auch vor dem Hintergrund eines wachsenden Energiehungers. Der Handlungsbedarf wurde erkannt und somit kommt das Energiewende- und Klimaschutzgesetz ins Spiel. Soll heißen: das Gesetz muss novelliert werden. 
Der Entwurf zielt dabei auf verschiedenste Bereiche. Eine verstärkte Nutzung biologischer Senken sowie die Minderung der Emissionen aus der Landnutzung sind dort genannt. 
Ebenso die Verpflichtung größerer Kommunen zur Erstellung eines kommunalen Wärme- und Kälteplanes, um Einwohnerinnen und Einwohnern die Umstellung auf Wärme aus Erneuerbaren Energien zu ermöglichen.
Auch die Überdachung mit Photovoltaikanlagen auf neuen Parkplätzen mit mehr als 100 Stellflächen sowie bei Neubau und Dachsanierung von Nichtwohnanlagen künftig Photovoltaikanlagen verpflichtend vorzuschreiben. Hier will das Land dann auch selbstverpflichtend seine Landesliegenschaften entsprechend ausbauen und aufrüsten. Auch die Nutzpflicht von Erneuerbaren Energien in der Wärmeversorgung des Gebäudebestandes wird geregelt. Das heißt, beim Austausch einer Heizungsanlage in Gebäuden, die vor 2009 errichtet worden sind, müssen dann künftig 15% des jährlichen Energiebedarfs durch Erneuerbare Energien gedeckt werden. Im Groben sind das die Pläne der Landesregierung. 
Und ich muss sagen, es hört sich visionär und gut an. Doch ich stelle mir die Frage, wie soll es mit der Umsetzung in einigen Bereichen laufen? Gerade die im neuen Paragrafen 9 formulierte Forderung, wonach mindestens 15% des jährlichen Wärme- und Kälteenergiebedarfs durch Erneuerbare Energien gedeckt werden sollen, birgt für uns als SSW noch erheblicher Informations- und Beratungsbedarf. Die Umsetzung einer solchen Forderung kann den einzelnen privaten Häusle-Besitzern vor erhebliche bis unlösbare Herausforderungen stellen. Dies sehen wir zum einen vor dem sozialen Hintergrund. Denn Menschen mit niedrigem bis geringem Einkommen oder die nur über eine kleinen Rente verfügen, wird eine solche Umrüstung vor kaum lösbare finanzielle Probleme stellen. Gleiches gilt für Kredite. Welche Bank gewährt heute noch Kredite an Rentner und Rentnerinnen – geschweige denn, sie sind auch noch alleinstehend. Aufgrund einer gesetzlich vorgeschriebenen energetischen Umrüstung werden die Banken wohl kaum ihre Kreditpolitik ändern. 
Ebenso sehen wir Probleme bei der Umrüstung solcher Heizungsanlagen im innerstädtischen Bereich. Die Grundstücke oder die Dachflächen reichen dort zum Teil nicht aus, um entsprechende Erneuerbare Energieträger errichten zu können. Bis die entsprechenden Kommunen ihre Wärme- und Kältepläne umgesetzt haben, damit Hausbesitzer und Hausbesitzerinnen davon profitieren können, wird meines Erachtens wohl noch viel Zeit vergehen. Zeit die manche dann nicht haben, weil sie vorher umrüsten müssen. Was ist mit Häusern die Denkmalgeschützt sind oder Reetdachhäuser? Wie soll dort eine Umrüstung stattfinden? PV-Anlagen auf Reetdach? Das mag ich mir dann auch nicht vorstellen.
Visionen sind gut, aber sie müssen auch umsetzbar sein und vor allem müssen sie auch finanzierbar sein. Wenn solche Forderungen aufgestellt werden, dann müssen auch entsprechende Angebote mitgedacht werden. Und die sehe ich nicht. Vielmehr sehe ich die Gefahr, dass wir die Menschen verlieren und dass dort der Wille verloren geht, etwas für den Klimaschutz zu tun. Aber das werden wir ja alles im Ausschuss weiter vertiefen. 
Zum Schluss noch zum Antrag der SPD. Auch wir sehen in der Photovoltaik großes Potential, das noch gehoben werden kann und muss. Um den Flächenfraß für große PV-Parks zu verhindern, braucht es klare Vorgaben – und die brauchen wir zügig. Das hat uns die Geschichte im Zusammenhang mit den Biogas-Anlagen gezeigt, die zu einem enormen Anstieg der Mais-Monokulturen geführt haben. Wir müssen das Potential der Dachflächen viel mehr in den Fokus rücken und das mit entsprechenden Förderprogrammen begleiten. Aber auch das werden wir wohl im Ausschuss näher erörtern.

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