Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 21.03.2002 Ziele und Instrumente des Naturschutzes

Das politisch interessante an der Antwort auf die Große Anfrage sind nicht die Statistiken oder die Auflistung der bisherigen gesetzlichen Regelungen im Naturschutz, sondern vor allem die dargestellten Programme und Umsetzungsinstrumente. Das ist schließlich das, was die Menschen vor Ort betrifft. Gleichberechtigtes Ziel jeden Naturschutzhandelns muss sein, die Programme und Maßnahmen im Einklang mit der Natur und den Menschen vor Ort durchzuführen. Was sich hier so einfach anhört, ist manchmal doch etwas schwierig.

Eine solche Große Anfrage, in der der Naturschutz in all seinen Facetten beleuchtet wird, lädt daher dazu ein, sich dem Naturschutz in Schleswig-Holstein in grundsätzlicher Art und Weise zu nähern und auf die Bereiche hinzuweisen, die immer noch verbessert werden können.

Nach meiner Ansicht ist die Landschaftsplanung einer der wichtigsten Ansätze im Naturschutz. Sei es die Erarbeitung von Biotopverbundsystemen oder sei es die anderweitige regional übergreifende Planung – beides ist von enormer Wichtigkeit, wenn man sachlich fundierten Naturschutz betreiben will. Ein wichtiges Glied in der Kette der Planung ist aber vor allem die Landschaftsplanung in den einzelnen Kommunen. Dort vor Ort wird eine auf Kenntnis der Gegebenheiten basierende Planung durchgeführt, die in meinen Augen eine wirklich hohe Bedeutung hat. Vor Ort denkt man über die Ziele und Maßnahmen des örtlichen Naturschutzes nach und entwickelt so Ideen. Das heißt, die Naturschutzideen kommen direkt von der Basis und werden von dieser auch getragen und akzeptiert. Dies entspricht voll meiner Auffassung von Nachhaltigkeit.

In diesen Zusammenhang gehört auch die Förderung von Grunderwerb zum Zwecke des Naturschutzes durch die Stiftung Naturschutz. Ich habe mehrfach in Gesprächen in Kommunen feststellen müssen, dass die Akzeptanz von Grunderwerb geringer ist, wenn die Flächen durch die Stiftung selber oder durch überregionale Naturschutzverbände erworben werden. Anders sieht es aus, wenn die Kommunen selber die Flächen erwerben, sich vertraglich binden und dann in Zusammenarbeit mit den regionalen Naturschutzverbänden die Flächen betreuen. Man ist dann immer noch Herr im eigenen Haus und hat die Möglichkeit „seinen“ Naturschutz mitzugestalten.
Diese psychologische Seite des Naturschutzes ist nicht zu unterschätzen. Jeder Naturschützer, so auch wir, will ja, dass der Naturschutz von der Bevölkerung getragen wird und von ihr akzeptiert wird. Dadurch, dass man den Grunderwerb durch die Kommunen fördert, erhält man genau diese Akzeptanz und entspricht so dem Nachhaltigkeitsgedanken.

Die Stiftung Naturschutz hat insgesamt von ihrer Gründung bis zum 31.12.2000 rund 90,3 Millionen Euro für Flächenkäufe oder für die Förderung von Flächenkäufen zur Verfügung gestellt. Eine riesige Summe, die leider nur zu einem Teil für Flächenkäufe durch die Kreise und Kommunen verwendet wurde. Sollte weiterhin diese Art des Flächenkaufs angestrebt werden, würden wir empfehlen, noch enger mit den betreffenden Gebietskörperschaften zusammenzuarbeiten.

Und wer nun die Landschaftsplanung und die Förderung von Flächenerwerb zum Zwecke des Naturschutzes miteinander verbindet, der hat auch die größten Chancen, dass der für die Kommunen wichtige Naturschutz auch eine entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung findet.

Im Zusammenhang mit dem Kauf oder der Unterstützung des Flächenkaufs durch die Stiftung Naturschutz möchte ich noch auf eine immer deutlicher werdende Problematik aufmerksam machen. Bei immer mehr Flächen, die angekauft werden, wird es in Zukunft immer schwieriger werden, diese Flächen auch adäquat zu betreuen. Der Naturschutz hat im allgemeinen enorm an Bedeutung zugenommen, so dass wir immer öfter in Schwierigkeiten geraten, was die Betreuung von Schutzgebieten oder anderen Flächen angeht. Wir werden uns dieses Problems in den nächsten Jahren unbedingt annehmen müssen.

Ich habe gerade versucht deutlich zu machen, dass es eine enge Verbindung zwischen örtlicher Naturschutzplanung und Planungen auf der Landesebene gibt und dass man versuchen muss, die örtliche Ebene so gut wie möglich auch an der Umsetzung der Maßnahmen zu beteiligen. Aus meinen Ausführungen spricht natürlich der Wunsch, die Interessen der Bevölkerung mit denen des Naturschutzes abzugleichen und sie in Einklang zu bringen, da nur so wirkliche Nachhaltigkeit gegeben sein wird.

Eine besondere Problematik ist in diesem Zusammenhang die Frage der Enten- und Gänsefraßschäden an der Westküste. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich werde nicht für eine Wiedereinführung der Schadensersatzzahlungen plädieren. Ich möchte vielmehr anregen, die Enten- und Gänsefraßschäden auf andere Art und Weise anzugehen. Auf Seite 28 der Antwort auf die Große Anfrage wird in drei Zeilen ausgeführt, dass im Rahmen des Vertragsnaturschutzes Flächen für den Gänsefraß bereitgestellt werden sollen. Das heißt, man wird in Zukunft versuchen, den Enten und Gänsen Flächen anzubieten, die ausdrücklich ihrer Gefräßigkeit dienen sollen, um so die Flächen der Landwirte zu schonen. Wir haben dies als SSW auch schon mehrfach vorgeschlagen. Wenn dieser Versuch mit den Ablenkungsflächen glückt, schaffen wir es möglicherweise Naturschutzzielen zu dienen, ohne dass die Landwirtschaft Schaden nimmt. Somit wäre eine große Last von den Schultern der Landwirte genommen. Ich glaube, wir sollten einem solchen Versuch mehr Aufmerksamkeit und Energie widmen, als es durch die nur 3 Zeilen in der Antwort auf die Große Anfrage deutlich wird.

In den Programmen des Naturschutzes, die in der Antwort auf die Große Anfrage aufgeführt werden, findet sich auch das Hallig-Programm. In der Tat sichert das Hallig-Programm die Grundlagen für den Natur- und Küstenschutz auf den Halligen. Es hat ja vor allem zum Ziel, dass die Halligen überhaupt bewohnt werden und so der Natur- und Küstenschutz überhaupt erst möglich werden. Trotz der Tatsache, dass auch wechselnde Landesregierungen immer hinter dem Hallig-Programm standen, ist dort ein Problem entstanden. Bisher waren die Zuwendungen aus dem Programm auf die Halliglandwirte begrenzt. Dies machte auch Sinn. Gemäß neuer Vorschriften der EU sollen nun auch Landwirte vom Festland künftig Zuwendungsempfänger sein können. Dabei geht die EU davon aus, dass es sich hierbei um reine das wirtschaftliche Überleben der Landwirte sichernde Zuwendungen handelt. Die anderen Ziele des Naturschutzes und des Küstenschutzes werden in der Betrachtung der EU nicht berücksichtigt. Hier tut Aufklärung Not und ich bitte die Landesregierung, dieses besondere Problem der Halligen gegenüber der EU deutlich zu machen, damit die Bestimmungen schnellstmöglich im Interesse der Halligen und ihrer Bewohner wieder geändert werden.

Der Zusammenhang von Landwirtschaft und Naturschutz war ja schon immer da, aber jetzt wird er immer augenfälliger. Kein normaler Landwirt wird seine natürlichen Ressourcen so schädigen, dass er in Zukunft sein Land nicht mehr bewirtschaften kann. Er wird vielmehr in Zukunft auch einen Teil seiner Einnahmen aufgrund von konkreten Naturschutzmaßnahmen erhalten. Ich spreche hier über die Modulation. Wir werden ja aufgrund unseres Antrages in der nächsten Sitzung des Landtages einen Bericht hierzu erhalten. Gleichwohl möchte ich schon jetzt hier einige allgemeine Aussagen zum Thema Modulation treffen. Grob gesagt, werden durch die Modulation Fördermittel aus den Direktzahlungen an die Landwirte in Fördermittel für Agrarumweltmaßnahmen umgewandelt. Hierfür ist ein relativ kompliziertes System ausgedacht worden, welches unter anderem auch die Möglichkeit für das sukzessive Abschmelzen der Fördermittel für die Landwirte beinhaltet. Hier genau sehe ich den psychologischen Fehler. Ständig sinkende Förderungen tragen nicht zur Motivation bei, sondern bewirken möglicherweise das Gegenteil. Wenn es möglich ist, sollte man hier noch nacharbeiten, um die Motivation und Akzeptanz für Naturschutzmaßnahmen bei der Landwirtschaft weiterhin aufrecht erhalten zu können.
Ich persönlich favorisiere eher das „Cross Compliance“. Hier wird die Vergabe von Agrarfördermitteln an Naturschutzmaßnahmen gebunden. Das heißt, man orientiert sich an Leistung und Gegenleistung. Der Landwirt kann sich Einkommen hinzuverdienen, in dem er Naturschutzmaßnahmen durchführt. Wir meinen, dass ein solches System sich an ökonomischen Denkweisen orientiert und dem Landwirt so der Naturschutz im wahrsten Sinnen des Wortes etwas Wert ist. Er kann damit Geld verdienen – und das war schon immer die beste Triebfeder, um den Menschen in Gang zu bekommen. Bisher hat noch kein EU-Staat das „Cross Compliance“ umgesetzt, aber vielleicht besteht ja noch die Chance dieses System zumindest teilweise einzuführen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben nun relativ viel Kritik meinerseits gehört. Das soll aber nicht bedeuten, dass wir mit der Naturschutzpolitik des Landes Schleswig-Holstein unzufrieden sind. Im Gegenteil. Wir sind der Meinung, dass in Schleswig-Holstein fortschrittliche Naturschutzpolitik betrieben wird. Worum es uns heute ging war, einige konkrete Vorschläge zu machen, wie man Gutes noch besser machen kann.

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