Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 10.11.2004 Zukunft der Kreditwirtschaft

Der SSW begrüßt die Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Zukunft der Kreditwirtschaft in Schleswig-Holstein. Denn die inhaltliche Debatte über diese Große Anfrage gibt uns nicht zuletzt die Gelegenheit, noch mal auf die unterschiedlichen Positionen in der Frage der Privatisierung der Sparkassen einzugehen.

Doch erst einmal möchte auch ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums für die Beantwortung der vielfältigen Fragen zur Kreditwirtschaft danken. Interessant fand ich insbesondere, dass der Anteil der Kreditwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt Schleswig-Holsteins im Jahre 2001 grob gesehen bei ca. 2% lag. Er war damit in etwa genau so groß wie der Anteil des so genannten primären Sektors - also der Bereich Land- und Forstwirtschaft und Fischerei. Gleichwohl gibt es – wohl aus historischen Gründen – weitaus mehr statistisches Zahlenmaterial über den primären Sektor als über die Kreditwirtschaft.

Dennoch zeigen die zur Verfügung stehenden Zahlen, dass der öffentlich-rechtliche Sektor – also hauptsächlich die Sparkassen – mit einer Bilanzsumme von ca. 147 Mrd. in 2002 der weitaus größte Sektor ist - mit großem Abstand zu den Genossenschafts- und Privatbanken. Das sieht man auch bei den Arbeitsplätzen, wo die Sparkassen in 2003 mit ca. 9.400 Beschäftigten vor den Genossenschaftsbanken mit ca. 4.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Privatbanken mit ca. 6.900 Beschäftigen liegen. In allen Sektoren haben wir es leider mit rückläufigen Beschäftigungszahlen zu tun. Auch die Steuereinnahmen aus der Kreditwirtschaft waren von 1998 bis 2002 rückläufig, wobei der öffentlich-rechtliche Sektor in 2002 noch am meisten Steuern zahlte.

Überraschend war für mich, dass die Anzahl der Filialen der Kreditinstitute in Schleswig-Holstein nicht nur – wie wir es in der Politik ja schon seit langem beklagen – bei den Privatbanken reduziert worden ist, sondern auch bei den Genossenschaftsbanken und bei den Sparkassen. So haben die Sparkassen von 1999 bis 2003 ihr Filialnetz von 535 auf 406 Filialen reduziert.

Das ist natürlich nicht zuletzt eine Folge der steigenden Herausforderungen, vor denen die gesamte Kreditwirtschaft steht. Auch wenn nach Angaben der Landesregierung die weltweite Verflechtung der in Schleswig-Holstein tätigen Kreditinstitute eher gering ist, so hat die Globalisierung der Kreditwirtschaft unter den Stichworten „Fusionen“ und „Konzentrationen“ auch uns erreicht. – Wobei, in Klammern bemerkt, die Sydbank Flensburg die einzige ausländische Privatbank in Schleswig-Holstein ist.

Dazu kommen in den letzten Jahren zwei besonders wichtige Entwicklungen, die die Kreditwirtschaft auch in Schleswig-Holstein beeinflusst haben. Zum einen hat die erfolgreiche Beschwerde des europäischen Bankenverbandes, die öffentlich-rechtliche Konkurrenz in Deutschland erfolgreich geschwächt. Denn durch den Wegfall der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung stehen die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute unter erhöhtem Veränderungs- und Kostendruck, weil sie nicht mehr durch staatliche Garantien unterstützt werden dürfen.

Die Fusion der Landesbanken aus Schleswig-Holstein und Hamburg zur HSH Nordbank ist ja eine direkte Folge dieser veränderten Rahmenbedingung. Zwar ist die Fusion auch aus Sicht des SSW erfolgreich verlaufen, aber am Ende dieses Prozesses wird es wohl oder übel eine vollständige Privatisierung geben. Damit werden die ehemaligen Landesbanken der Kontrolle der Politik entzogen, und ich wage mal zu bezweifeln, ob dies so eine gute Entwicklung ist.

Zum anderen hat die Vereinbarung der europäischen Privatbanken, die wir unter dem Stichwort „Basel II“ kennen, die Entwicklung der letzten Jahre maßgeblich beeinflusst. In ihrer Beantwortung der Großen Anfrage weist die Landesregierung darauf hin, dass die Kreditrichtlinien nach Basel II vor allem die mittelständische Wirtschaft in Bedrängnis gebracht haben. Das bestätigen auch die verschiedenen Unternehmensverbände, die IHKn oder die Handwerkskammern, die sich in der Beantwortung der Großen Anfrage dazu geäußert haben. Denn die Basel II – Diskussion hat dazu geführt, dass die Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft verschärft wurden. Dies trifft insbesondere Betriebe mit einer geringen Eigenkapitalquote, und in Deutschland sind leider vor allem kleine und mittlere Unternehmen davon betroffen.

Natürlich darf man nicht den Fehler machen, alles auf Basel II zu schieben. Denn auch die allgemeine wirtschaftliche Flaute hat dazu beigetragen, dass insbesondere Privatbanken aus Ertragsgründen zurückhaltender bei der Vergabe von Krediten sind. Insgesamt vertritt die Landesregierung aber die Ansicht, dass die mittelständische Wirtschaft in Zukunft bei der Kreditbeschaffung vor erheblichen Problemen steht.

Neben den Förderinstituten des Landes – wie der I-Bank, der Bürgschaftsbank oder der Mittelstandsbank - die ja alle auf ihre Weise zur Verbesserung der Kreditsituation des Mittelstandes beitragen, sind es aus Sicht des SSW vor allem die Sparkassen, die in diesem Zusammenhang eine wichtige und positive Rolle spielen. Gerade, weil die Sparkassen nicht privatisiert, sondern überwiegend in öffentlicher Hand sind, können sie ihre Geschäftspolitik sehr viel stärker auf die regionale Wirtschaft und den Mittelstand ausrichten als die Privatbanken der großen deutschen Bankkonzerne. Denn die Sparkassen unterscheiden sich in ihrer Geschäftstätigkeit von privaten Banken vor allem durch das Regionalprinzip und durch die Gemeinwohlorientierung in ihrem Unternehmensziel, gesetzlich verankert im öffentlichen Auftrag der Institute.

Der SSW steht zum jetzigen Sparkassensystem mit seiner Verantwortung für die Daseinsvorsorge auf regionaler Ebene. Denn gerade die Sparkassen haben sich ihrer regionalen Verankerung gestellt und die regionale Wirtschaftsstruktur entschieden unterstützt. – Durch günstige Kredite an den Mittelstand oder an die Bauern vor Ort und auch durch ein großes Filialnetz in der Fläche, das den Bürgerinnen und Bürgern im ländlichen Raum zugute kam.

Eine Privatisierung – wie sie mehr oder weniger – von CDU und FDP gefordert wird, würde aus unserer Sicht kontraproduktiv sein. Natürlich müssen sich auch die öffentlichen Kreditinstitute den veränderten internationalen Rahmenbedingungen stellen. Dieses Ziel kann aber auch durch verstärkte Zusammenarbeit von Sparkassen – wie es jetzt schon geschieht – erreicht werden.

Der SSW lehnt also eine Privatisierung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen ab. Das wird auch aus dem Wahlprogramm hervorgehen, das der SSW am 13.November in Eckerförde beschließen wird. Mit dem SSW ist eine Privatisierung der Sparkassen in Schleswig-Holstein nicht zu machen - weder heute noch in den nächsten Jahren.

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