Rede · Flemming Meyer (2009–2020) · 14.12.2006 Ausbau von Frühförderung und Einführung einer verbindlichen Vorsorgeuntersuchung für Zweijährige

Überforderte Eltern machen einen großen Bogen um alles, was ihnen weitere Probleme beschert. Darum schließen sie auch die Augen vor Defiziten ihrer Kinder.
Dabei kann eine frühzeitige Förderung und Unterstützung viele Defizite ausgleichen. Wir haben darüber schon oft gesprochen. Alle sind wir uns einig, dass wir im Interesse der Kinder aufsuchende Sozialberatung verstärken sollten.
Niemand im Landtag wird dem widersprechen.

Aufsuchende Sozialberatung allein einem Projekt wie dem „Schutzengel“ zu überlassen, ist eine Bankrotterklärung staatlicher Sozialpolitik. Die Jugendämter gehören in die Familien und dies nicht nur als Sanktionsbehörde, sondern unterstützend und beratend. Die Zweiteilung zwischen strafendem Jugendamt und beratendem Schutzengel ist falsch. Wer von aufsuchender Sozialarbeit überzeugt ist, muss staatliche Institutionen stärken, damit diese genau das tun können, unabhängig von der Laufzeit eines Projektes.
Doch eine Politik im Sinne der Kinder kommt manchmal nicht um Sanktionen herum. Über 1.700 Kinder und Jugendliche leben in Schleswig-Holstein einem Heim, weil sie in der eigenen Familie nicht adäquat betreut werden können. Diese Zahl zeugt vom Engagement unserer Behörden.
Vielleicht läge die Zahl niedriger, hätten die Eltern früher um Unterstützung nachgesucht, oder, noch besser, wäre ihnen früher Unterstützung angeboten worden.

Darum unterstützt der SSW die verpflichtende Untersuchung aller Zweijährigen. Die Idee, die Untersuchung im Gesundheitsamt kostenpflichtig zu machen, damit die Eltern den für sie kostenfreien Kinderarzt aufsuchen, findet unsere Unterstützung. Im vertrauensvollen Gespräch mit dem Kinderarzt lässt sich vielleicht offener über Probleme sprechen als in einem Amt. Darum sollte Schleswig-Holstein die Initiative des Landes Hessen unterstützen.
Ich verhehle nicht die Probleme. Erstens: wie gehen wir mit Eltern um, die sich weigern, ihre Kinder untersuchen zu lassen. Weder Bußgeld noch staatliche Zwangsvorführung sind erstrebenswerte Mittel und höchstens die allerletzte Konsequenz. Hier kommen wir wohl um Hausbesuche nicht herum. Eine entsprechende Infrastruktur müsste aber erst geschaffen werden.

Zweitens: die Ärzte beurteilen zwar die Gesamtentwicklung eines Kindes, sind aber keine Sozialberatungsstellen. Dafür werden die Kinderärzte, übrigens die am schlechtesten verdienende Facharztgruppe überhaupt, nicht bezahlt. Wenn wir uns für eine Zwangsuntersuchung entscheiden, dann müssten die Kinderärzte unterstützt werden.
Ich denke aber, dass wir vor allem die Arbeit der Hebammen finanziell besser absichern können. Während die Schwangerschaftsvorsorge dank ärztlicher Dominanz in Deutschland zur europäischen Spitzenklasse gehört, hapert es an Unterstützung, wenn das Kind dann geboten ist. Hier kommen die Hebammen ins Spiel: sie werden von den Krankenkassen bezahlt, machen aber bei ihren nachgeburtlichen Hausbesuchen in der Regel aber eine komplette Mütterberatung.

Der Staat muss sich an der Arbeit der Hebammen beteiligen, damit diese über das Finanzkorsett der Krankenkassen hinaus tätig sein können. Entsprechendes gilt im Übrigen für Mütterberatungsinitiativen vornehmlich an Krankenhausstandorten, die von Hebammen und Sozialberaterinnen betreut werden.  Auch hier lohnt sich eine feste Unterstützung seitens des Landes und der Kommunen. Die Sozialministerin schreibt zwar in ihrer Antwort zur Großen Anfrage der CDU zur Familienpolitik, dass die Einrichtung von Mütterzentren keine Landesaufgabe sei, die Finanzierung von Mütterberatung allerdings schon. Wir sollten über eine stärkere Förderung der Hebammenarbeit und der Mütterberatungsinitiativen nachdenken. Die Hebammen kommen zu jeder Frau ins Haus. Darum muss keine Familie ihren Besuch rechtfertigen. Das ist immens wichtig, um wirklich ein niedrigschwelliges Angebot zu etablieren.

Die Frühförderung braucht eine stabile, institutionelle Struktur. Anderenfalls sind werden ein flächendeckende Angebot noch eine kontinuierliche Arbeit gewährleistet.

Weitere Artikel

Pressemitteilung · Flemming Meyer (2009–2020) · 11.01.2021 Wir dürfen die Grenzpendler nicht im Stich lassen!

Zur Situation der Grenzpendler nach den Corona-Verschärfungen an der dänischen Grenze nehmen der SSW-Landesvorsitzende Flemming Meyer und MdL Jette Waldinger-Thiering Stellung:

Weiterlesen

Pressemitteilung · Flemming Meyer (2009–2020) · 10.12.2020 Negative Entscheidung des Kreistages in Schleswig-Flensburg zur Schülerbeförderung der dänischen Minderheit ist Diskrimination!

Mit großem Unverständnis reagierte der SSW-Landesvorsitzende Flemming Meyer auf die Entscheidung des Kreistages in Schleswig-Flensburg in 2021 keinen Zuschuss mehr für die Schülerbeförderung der dänischen Minderheit zu geben.

Weiterlesen

Pressemitteilung · Flemming Meyer (2009–2020) · 31.07.2020 Mange tak und auf Wiedersehen

Weiterlesen