Rede · Lars Harms · 23.03.2023 Schwarz-Grün schränkt demokratische Errungenschaften ein - aber nicht mit uns!

„Die frühere Bürgerrechtspartei Bündnis90/Die Grünen schränkt hierzulande Bürgerbeteiligung ein und die CDU kämpft jetzt scheinbar für politische Einheitskultur.“

Lars Harms zu TOP 3 - Gesetz zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften (Drs. 20/377, 20/787)

Ich muss ganz ehrlich sagen, selten hat mich eine Anhörung irritierter zurückgelassen. CDU und Grüne haben sich dazu entschieden, demokratische Errungenschaften aufgrund von gefühlten Wahrheiten und Empfindungen einzuschränken. Und das macht mich, das muss ich schon ehrlich sagen, an dieser Stelle fassungslos. Da konnten Ihnen auch die Kommunalen Landesverbände nicht wirklich beispringen. Vermutungen und Empfindungen sind für einen Gesetzentwurf, der die Rechte von Bürgern einschränkt, in keinster Weise ausreichend.
Zwei Grundvorhaben weist ihr Gesetzesentwurf auf: 
1)    Bürgerbegehren sollen eingegrenzt werden.
2)    Die Mindestfraktionsgröße soll angehoben werden. 
Es gab in der Anhörung zum Thema Bürgerbegehren ein paar wenige Zahlen, die jedoch immer wieder auftauchten und die ich daher einmal nennen möchte: Seit der letzten Reform wurden in Schleswig-Holstein in den zurückliegenden neun Jahren in den 1106 Gemeinden im Durchschnitt 20 Verfahren jährlich eingeleitet. Zur Abstimmung kamen im Schnitt knapp 10 Verfahren und von diesen gingen etwa zwei Drittel im Sinne der Initiatoren aus, so dass insgesamt nur durchschnittlich 7 Entscheidungen in 1106 Gemeinden tatsächlich abgeändert wurden! 
Und das bei allen Entscheidungen, die in den Gemeinden getroffen werden pro Sitzung der Gemeindevertretung. Da kommen jährlich hunderte Entscheidungen in den Gemeinden zusammen und dann befinden wir uns hier irgendwann im Promille-Bereich. Zahlenmäßig also wirklich kein Problem und schon gar nicht eins, das eine Gesetzesänderung rechtfertigt. 

Und es ist nicht nur sinnbefreit, was Sie hier veranstalten wollen, es ist kontraproduktiv. Denn gerade bei Konfliktthemen bieten Dialogverfahren wie Bürgerbegehren und -entscheide die Möglichkeit, Konflikte beizulegen oder gemeinsam gesellschaftlich tragfähige Lösungen zu finden. So sahen es jedenfalls nahezu alle Expertinnen und Experten der Anhörung. 
Trotzdem werden jetzt Rechte der Bürgerinnen und Bürger schlicht außer Kraft gesetzt. Und deswegen ist die Sprache auch so hart. Deswegen wurde von einem Angriff auf die Demokratie gesprochen. Weil hier wegen Nichtigkeiten Bürgerrechte aufgehoben werden. 
Wir hatten bisher eine der besten Bürgerbeteiligungen in der Republik. Zum ersten Mal gibt es jetzt ein Bundesland, das die Bürgerbeteiligung wieder zurückdreht. Und das ist eine Katastrophe!

Nun möchte ich mich ihrem zweiten sinnlosen und kontraproduktiven Hauptbemühen zuwenden. Nämlich der, dass kleine Fraktionen Sie scheinbar nerven. Große Parteien erzählen sich gegenseitig seit Jahrzehnten das Märchen der Handlungsunfähigkeit durch kleine Parteien. 
Noch 2008 haben die Grünen, damals eine kleine Partei, vorm Bundesverfassungsgericht geklagt und die Abschaffung der 5%-Sperrklausel erreicht. Ihre neue Regelung der Mindestfraktionsgröße von 3 für Kommunalvertretungen ab 31 Mitgliedern entspricht aber einer faktischen Sperrklausel zur Gründung einer Fraktion. Erst bei einer Größe von 60 Mitgliedern entspräche die Fraktionsmindeststärke von drei Kommunalvertreterinnen und -vertretern wieder fünf Prozent. Sie hebeln die Wahlrechts- und Chancengleichheit wieder aus! 
Finanzmittel und auch das Stimmrecht in Ausschüssen ist an die Mitgliedschaft in einer Fraktion geknüpft. Fraktionslose können lediglich beratende Ausschussmitglieder werden. 

Mir ist klar, dass das eigentlich kein grünes Herzensprojekt war, sondern ein Wunschprojekt der CDU ist. Die frühere Bürgerrechtspartei Bündnis90/Die Grünen schränkt hierzulande Bürgerbeteiligung ein und die CDU kämpft jetzt scheinbar für politische Einheitskultur. 
Und deswegen stelle ich fest, dass der Einsatz der Grünen für mehr Bürgerbeteiligung hier und jetzt sein Ende gefunden hat. Bürger-Mitbestimmung wird geschliffen und Chancengleichheit in der Kommunalpolitik wird eingeschränkt. Aber nicht mit uns!

 

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